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Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
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schwarze Haar, die klarblauen Augen, das spitze Kinn und die hohen Wangenknochen – wie eine Zweitausgabe von Katherine LaRouche Danvers. Adria war größer als seine Stiefmutter, aber genauso schön. Und sie besaß die gleiche unnachahmliche Anmut, die er seit Kat bei keiner Frau mehr erlebt hatte.
    Sein Magen krampfte sich zusammen, als er an seine schicksalsträchtige Affäre mit seiner Stiefmutter dachte. Die Leidenschaft, die Gefahr, die Erregung, die er seit jener einen Nacht mit keiner anderen Frau je wieder erlebt hatte. Noch die Erinnerung brachte sein Blut in Wallung. Sie hatte ihn verführt, ihn entjungfert, ihm einen Blick in den Himmel gewährt und ihn dann in eine Hölle gestoßen, die fortan sein Leben sein sollte. Was nicht hieß, dass er es anders gewollt hätte.
    Also, warum beschwor dieses Treffen mit Adria Nash derart lebhafte Erinnerungen an das herauf, was er so lange zu verdrängen versucht hatte?
    Seit ihrem kurzen Gespräch im Ballsaal hatte er Adria nicht wiedergesehen und auf ihre Anrufe nicht reagiert, doch er wusste, dass sie nicht so schnell lockerlassen würde. Sie würde ihn buchstäblich verfolgen. So war es immer. Nun, sie war nicht die erste Hochstaplerin, die behauptete, sie sei die liebe kleine London, und sie würde bestimmt auch nicht die letzte sein.
    Er schob zwei Finger in den steifen Kragen seines Smokings, warf seinem Spiegelbild einen düsteren Blick zu und fragte sich, warum er sich diesen albernen Anzug überhaupt antat. Er hasste Formalitäten. Ebenso, wie er die Art von Party hasste, die ihm jetzt bevorstand.
    Er warf einen Blick auf seine Reisetasche. Spätestens morgen Mittag würde er von hier verschwinden.
    »Auf Nimmerwiedersehen«, brummte er, schloss die Tür hinter sich ab und ging zum Lift. Er hatte der übrigen Familie nichts von Adrias Besuch erzählt. Wozu auch – sie würden sich nur erst recht in die Haare geraten. Der Nachlass des alten Herrn war noch nicht geregelt, und wenn die Haupterben Wind davon bekamen, dass eine weitere angebliche London aufgetaucht war … Bei dem Gedanken zog Zach einen Mundwinkel hoch, strich mit dem Daumennagel über das Messinggeländer in der Aufzugkabine und spielte kurz mit dem Gedanken, die Bombe platzen zu lassen. Doch dann besann er sich eines Besseren. Die Zeiten, da er seine Geschwister zum Spaß provoziert hatte, nur um ihnen eine Reaktion zu entlocken, waren vorbei.
    Der Aufzug hielt im ersten Stock und Zach blickte durch die offenen Türen in den Ballsaal. Die ersten Gäste hatten sich bereits eingefunden, standen in Grüppchen zusammen. Ein Déjà-vu-Gefühl beschlich ihn, als er das Rascheln von Seide, das Klirren von Kristall und das leise Raunen und Lachen vernahm. Seit zwanzig Jahren hatte in diesem Saal keine Veranstaltung mehr stattgefunden – die letzte Party war jene zu Witts sechzigstem Geburtstag gewesen.
    Unter seinem Hemd und dem Smokingjackett spannten sich seine Muskeln an, als mache er sich auf eine Auseinandersetzung gefasst. In einer Ecke spielte ein Pianist im Frack auf dem Konzertflügel, der glänzte wie poliertes Ebenholz. Zachary erkannte die Melodie, die Titelmusik eines recht neuen Films, doch er achtete nicht weiter darauf.
    Inmitten eines sprudelnden Champagnerbrunnens stand eine Eisskulptur in Form eines steigenden Pferdes – das Symbol des Hotel Danvers. Rosa Rosenblüten schwammen in Kristallschalen und die Damasttischdecken waren ebenfalls mit Blütenblättern bestreut. Zachs Magen krampfte sich zusammen. Das alles erinnerte zu sehr an jene schicksalhafte Nacht, damals, als London verschwand.
    Er hatte Trisha die Ausgestaltung der Party überlassen und kaum zugehört, als sie die Gästeliste, die Speisekarte, die Namen der Musiker und Künstler und so weiter herunterrasselte – er wollte mit diesem verdammten Fest nichts zu tun haben, also hatte er ihr gesagt, sie solle alles so gestalten, wie sie es für richtig hielt. Die Restaurierungsarbeiten waren abgeschlossen, damit hatte er seinen Teil des Abkommens erfüllt. An diesem Fest würde er noch teilnehmen, aber das war auch alles. In Wahrheit interessierte ihn die großartige Eröffnung nicht.
    Jetzt fragte er sich, ob er womöglich einen Geist aus der Flasche gelassen hatte. Diese Feier musste zwangsläufig Erinnerungen an die Party wecken, die Kat für Witt an seinem sechzigsten Geburtstag veranstaltet hatte. Die blinkenden weißen Lichter in den Bäumen, das glänzend polierte Tanzparkett, die Liste handverlesener

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