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Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufzudrängen.
    Katherine hatte sich in ihrem ganzen Leben nie gehen lassen. Sie betrachtete ihren Körper als ihr größtes Kapital, verbrachte Stunden im Fitnesscenter, bei der Masseurin, beim Frisör, bei der Maniküre. Ihre Kleider waren immer vorteilhaft – etwas sexy, aber zugleich stilvoll und gepflegt.
    Jetzt sah sie grauenhaft aus.
    Sie stellte sich unter die Dusche und ließ das heiße Wasser auf sich niederprasseln. Um die Depressionen abzuwehren, die sie bei den Gedanken an London überfielen, schloss sie die Augen und lehnte sich gegen die glatten Kacheln. Sie durfte sich nicht so herunterziehen lassen, denn sie war Londons einzige Chance. Wenn sie ihre Tochter aufgab, würden alle anderen sie ebenfalls aufgeben.
    Ein Schluchzen steckte ihr in der Kehle und sie ließ die Tränen fließen. Warmer Dampf hüllte sie ein.
    Solange sie allein war, konnte sie jammern und schreien und vor Verzweiflung mit den Zähnen knirschen, doch in Gegenwart der anderen musste sie die Starke spielen.
    Eine Stunde später schaffte sie es ins Erdgeschoss, das Haar gewaschen, gefönt und glänzend gebürstet, die Zähne geputzt, das Make-up makellos, in Shorts und Top in einem Blauton, der zu ihren Augen passte. Sie holte sich Orangensaft aus dem Kühlschrank, überhörte Marias flehentliche Bitten zu frühstücken und erfuhr, dass Witt und die Polizisten sich mit der strikten Anweisung, niemand dürfe sie stören, ins Arbeitszimmer zurückgezogen hatten. Schön. Sie kehrte Maria den Rücken, gab einen großzügigen Schuss Wodka in den Orangensaft, schluckte zwei extra starke Schmerztabletten, griff nach einem frischen Päckchen Zigaretten und klemmte sich das Wall Street Journal unter den Arm.
    Sie war bereit – zumindest glaubte sie das. Doch das grelle Tageslicht zwang sie, nach der Sonnenbrille zu greifen, die sie in einer Schublade bei den Fenstertüren aufbewahrte. Draußen regte sich kein Lüftchen, und die Sonne brannte erbarmungslos auf den Beton und die Backsteine herab, die den Pool einfassten.
    Sie hörte ein Geräusch, hob den Blick und sah, als sie an den Farnen und Rhododendren entlang dem Plattenweg vorbeiging, dass Zachary seine Bahnen schwamm. Er durchpflügte das Wasser wie ein Athlet, und seine Verletzungen, noch deutlich sichtbar auf der gebräunten Haut, waren so weit verheilt, dass er in mühelosen, gleichmäßigen Zügen schwimmen konnte.
    Ein Anflug von Begehren überkam Katherine. Von Witts Kindern fand sie Zachary am anziehendsten. Er sah anders aus als die übrige Danvers-Brut – seine Haut war dunkler, seine Statur muskulöser und seine Augen waren von einem gewittrigen Grau, nicht so klarblau, wie es offenbar das Markenzeichen der Danvers' war.
    Seine Nase war nicht gerade und arrogant wie Witts, doch das lag Katherines Meinung nach eher daran, dass sie schon mindestens dreimal gebrochen war – das letzte Mal erst kürzlich in jener grauenhaften Nacht, als London entführt wurde, davor schon einmal bei einem Motorradunfall und einmal bei einer Prügelei an der Junior High School. Der Gegner war doppelt so groß gewesen wie Zach, war jedoch mit zwei Veilchen und einem geschwollenen Schwanz, wo ihn Zachs spitzer Stiefel getroffen hatte, aus dem Kampf hervorgegangen. Zach hatte allerdings deutlich schlimmere Verletzungen davongetragen, nicht nur eine gebrochene Nase, sondern auch mehrere Rippenbrüche. Zudem hatte der Vater des Jungen, ein Anwalt, mit Klage gedroht. Glücklicherweise konnte Witt ihn mit Geld zum Schweigen bringen – genau darauf hatte der Mann ja von vornherein spekuliert.
    Wie auch immer – Zach, respektlos und verdammt sexy, war in mehr als einer Hinsicht attraktiv. Katherine ließ sich auf einer Liege nieder, legte die Füße hoch und sah zu, wie ihr Stiefsohn durchs Wasser glitt. Glatte, feste Muskelstränge bewegten sich geschmeidig, nass in der Sonne glänzend. Sie hätte gern gewusst, ob er nahtlos braun war oder ob sein Hintern dort, wo die Hose ihn verdeckte, eine hellere Färbung aufwies.
    Seit ihrer Eheschließung war Katherine Witt nie untreu gewesen. Selbst in den vergangenen paar Jahren, in denen ihr Gatte nicht einmal mehr versucht hatte, mit ihr zu schlafen, hatte sie dem rastlosen Sehnen in ihrem Innern, wenn sie einen besonders interessanten Mann sah, nicht nachgegeben. Gelegenheiten boten sich reichlich, überreichlich im Lauf der Jahre, manche sogar mit Witts engsten Freunden – aber sie ging mit einem Lachen über die Annäherungsversuche hinweg und

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