Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
gegangen. Es war bereits von einer gerichtlichen Klage die Rede.
    Trisha, als hätte sie die Gedanken ihres Bruders gelesen, seufzte und klappte ihre Staffelei zusammen.
    »Glaubst du, ich hätte London gekidnappt?«, fragte er und versuchte sich einzureden, es sei ihm im Grunde völlig gleichgültig.
    Sie schüttelte den Kopf, blickte vielsagend auf die Narbe in seinem Gesicht und erwiderte: »Ich weiß nicht, was du in jener Nacht getrieben hast, aber du sagst jedenfalls nicht die Wahrheit … nicht die ganze Wahrheit, und wenn du etwas verheimlichst, wird man dir am Ende die Schuld zuschieben.«
    Seine Nackenmuskeln spannten sich an. Er dachte genauso. »Seit wann bist du eigentlich die Göttin der Tugend?« Er trank die Coladose leer und zerdrückte sie in der Faust.
    Trisha fixierte ihn mit einem Blick, der für ihr kurzes Leben schon zu viel Kummer gesehen hatte. »Du weißt nicht das Geringste über mich, Zach. Du hast nie auch nur versucht, mich kennenzulernen, nicht wahr? Sieh mal, ich wollte dir nur einen Gefallen tun … aber vergiss es.« Sie schickte sich an, zurück zum Haus zu gehen. »Es war ein Fehler. Aber du schaufelst dir dein eigenes Grab.«

    Katherines Augen waren verklebt. Sie hatte einen Geschmack im Mund, als hätte sie einen Aschenbecher ausgeleckt, und es pochte schmerzhaft in ihren Schläfen. Mit Mühe öffnete sie die Augen und das Sonnenlicht, das durch ein halb geöffnetes Fenster fiel, blendete sie. Stöhnend wälzte sie sich auf die andere Seite und wunderte sich über die Traurigkeit, die wie ein Bleigewicht auf ihrem Herzen lag.
    Sie war in ihrem eigenen Schlafzimmer und … O Gott … mit einem Schlag brach die Realität wieder über sie herein. London war fort, entführt vor beinahe zwei – oder waren es schon drei? – Wochen. Die Verzweiflung fraß sie schier auf. Sie brauchte eine Zigarette. Mit tauben Fingern ertastete sie auf dem Nachttisch ein leeres Päckchen Virginia Slims und warf es zu Boden. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie ertrug das alles nicht, Tag für Tag, die stümpernden Polizisten, das nutzlose FBI, die Medien. Zum Teufel mit den Medien. Die wenigen Reporter, die sich an den Wachmännern hatten vorbeimogeln können, hatten Fragen gestellt, die ihr das Herz bluten ließen, und der gierige Glanz in ihren Augen, versessen auf eine Story, gefühllos ihrem Schmerz gegenüber … Kein Wunder, dass Zach einen Reporter niedergeschlagen und einem Fotografen die Kamera demoliert hatte, als er aus dem Krankenhaus nach Hause kam.
    Mit unsicheren Beinen stand sie auf und öffnete die Vorhänge ein wenig weiter. Zwei Streifenwagen und ein einfacher Chevrolet standen in der hufeisenförmigen Auffahrt. Weiter entfernt, hinter der abschüssigen Rasenfläche und den Rosengärten, sah sie das Eingangstor, vor dem sich die Geier scharten. Zwei oder drei Fahrzeuge standen im Schatten einer alten Eiche mit überhängenden Zweigen an der Mauer, die die Aasfresser fernhielt.
    »Ihr sollt alle in der Hölle schmoren«, sagte sie leise und zog die Vorhänge wieder zu.
    Wie spät war es? Mit blutunterlaufenen Augen sah sie auf die Uhr. Zwei Uhr nachmittags. Sie hatte siebzehn Stunden geschlafen, betäubt von Doc McHenrys Schlaftabletten und Gott weiß was sonst noch. Irgendwie musste sie es schaffen, sich zusammenzureißen. Mit oder ohne London.
    Der Gedanke ließ ihre Knie weich werden, und sie hielt sich an der Kommode fest, um nicht zu stürzen. Sie würde ihr Baby finden. Sie musste es finden. Sie konnte nicht auf den Staat oder die Polizei vertrauen, und Witt – nun, er war auch nicht gerade hilfreich gewesen. Es ärgerte sie, dass er nicht mehr bei ihr schlief, angeblich, weil sie ihre Ruhe brauchte. Doch sie kannte den wahren Grund. Er hatte Angst, dass sie mehr verlangte als ein sanftes Streicheln über den Kopf, dass sie vielleicht einen Kuss oder eine Umarmung wünschte oder sogar mit ihrem Mann schlafen wollte, um Trost zu finden.
    Herrgott, sie brauchte dringend eine Zigarette.
    Sie fuhr mit der Zunge über den stumpfen Belag ihrer Zähne und schleppte sich ins Bad, wo sie das Nachthemd auszog, das sie nun schon seit Tagen trug, und die Dusche aufdrehte. Bevor sie unter den heißen Strahl trat, sah sie flüchtig ihr Spiegelbild und verzog das Gesicht. Kein Make-up, strähniges Haar, und ihr einst so kurvenreicher Körper war allmählich ausgezehrt. Vage dachte sie an Maria, die Köchin, die immer wieder in ihr Zimmer kam und versuchte, ihr irgendeine Suppe

Weitere Kostenlose Bücher