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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Zimmer abgeschlossen. Manchmal für Tage. Sie kauerte sich noch dichter an die Couch und ihre Augen flehten.
    »Nein.« Ihre Stimme zitterte und jetzt versuchte sie, ihre Mutter zu berühren. »Ich brauche nicht ins Bett gehen«, sagte sie verzweifelt. »Es geht mir gut, Mutter. Mir geht es doch jetzt schon seit Jahren gut, nicht wahr? Es ist doch nur, daß ich mich noch nicht an sie gewöhnt habe.« Ihre Stimme klang plötzlich kindlich. »Gib mir eine Chance, Mutter. Ich kann auch eine Mutter sein - ich weiß, daß ich das kann. Bitte, schick mich nicht ins Bett.«
    Als ihre Tochter zu weinen begann, erhob sich Edna und beugte sich über sie. Ihre Augen funkelten plötzlich. »Hör damit auf«, sagte sie. »Hör damit sofort auf, hörst du? Du weißt, was passiert, wenn du weinst!« Diana zitterte auf der Couch.
    Edna hob ihre Hand, bereit, ihre Tochter wieder zu schlagen. Dann senkte sie die Hand langsam. »Tu das nicht, Diana«, sagte sie, fast zu sich selbst. »Laß uns nicht wieder anfangen.«
    Als Diana weiter weinte, stand Edna still und verschloß ihre Sinne gegen das Geräusch. Schließlich erstarb Dianas Schluchzen.
    Sie bewegte sich auf der Couch und richtete sich auf. Ihre Mutter stand über sie gebeugt und schaute sie eigenartig an. »Mutter, was ist geschehen?« fragte sie.
    »Du hast angefangen zu weinen«, sagte Edna.
    »Aber warum?« fragte Diana. »Ich habe hier gesessen und etwas angeschaut.« Dann wirkte ihr Gesicht erschreckt. »Du hast davon gesprochen, daß du mich ins Bett schicken willst.«
    »Du wirktest müde, Diana.«
    Jetzt runzelte Diana verwirrt die Stirn. Sie versuchte sich genau an das zu erinnern, was geschehen war. Sie hatte sich dieses alte Fotoalbum angesehen und war ärgerlich geworden. Aber was war dann passiert?
    Diana wußte es nicht. Und die Lücke in ihrem Gedächtnis machte ihr Angst. Sie fühlte sich völlig starr, als sie ihrer Mutter aus dem Haus folgte.

10
     
    esperanza rodriguez beendete die Reinigung von Edna Ambers Schlafzimmer und ging dann hoch in die Kinderstube im Obergeschoß.
    Sie war gern allein im Haus. Wenn sie anwesend waren, spürte ihr sensibler Geist immer die ständige Spannung zwischen Miß Diana und Miß Edna. Hätte Esperanza eine andere Möglichkeit gehabt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, hätte sie längst damit aufgehört, für die Ambers zu arbeiten. Aber die Ranch war ihr Leben, und sie vermutete, daß sie eines Tages dort sterben würde, wie so viele Leute dort gestorben waren.
    In der Kinderstube ließ sie ihren massigen Körper in den Schaukelstuhl sacken und wartete darauf, daß sie wieder zu Atem kam. Sie erinnerte sich noch an dieses Zimmer aus der Zeit, als sie ein kleines Mädchen gewesen war und dort mit Miß Diana gespielt hatte, die nur zwei Wochen jünger war als sie. Das war nicht oft gewesen - denn selbst, als Esperanza noch klein war, hatte sie Aufgaben zu erfüllen, und Diana konnte nicht immer spielen.
    Das waren jene Tage, wie sich Esperanza erinnerte, an denen ihre Freundin am ganzen Körper Striemen hatte und ihr Gesicht vom Weinen rot war.
    Esperanza erinnerte sich auch an die Nächte, in denen sie auf der Pritsche in ihrem kleinen Zimmer gelegen hatte - das war jetzt mit zerbrochenen Möbeln und Koffern vollgestopft - nur wenige Meter von der Kinderstube entfernt. Sie hatte den seltsamen Geräuschen gelauscht, obwohl sie alles versuchte, um sie nicht zu hören.
    Es geschah immer in Nächten, in denen der Wind wehte. Esperanza lag in ihrem Bett, konnte nicht einschlafen, und bald darauf hörte sie das Knarren der Hintertreppe.
    Dann waren da Schritte, die vor ihrer Tür verhielten, als würde jemand lauschen. Die Schritte bewegten sich weiter und dann hörte sie, wie die Tür zur Kinderstube sich öffnete und geschlossen wurde.
    Und dann hörte man das gedämpfte Geräusch von Stimmen und Dianas Schreien.
    Am nächsten Tag mußte Diana in ihrem Zimmer bleiben, doch früher oder später fand Esperanza einen Vorwand, um sich in die Kinderstube zu schleichen.
    Dann fand sie ihre Freundin leise weinend auf dem Bett liegen. Wenn sie Diana fragte, was denn sei, schaute Diana sie nur traurig an und schüttelte den Kopf.
    »Ich hatte einen Alptraum«, flüsterte sie dann. »Ich habe geträumt, ich sei ein böses Mädchen, und ich wurde bestraft.« Ihre Augen wurden ganz groß, wenn sie sich an den Traum erinnerte. »Und nachdem ich bestraft wurde, habe ich geweint.« Einmal, nachdem sie das gesagt hatte, war ein langes

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