Wehrlos: Thriller
Zweifel …«
Samuel lächelte. »Okay, rufst du mich an, sobald du Neuigkeiten hast?«
»Alles klar.«
Lommel verließ den Versammlungsraum und setzte sich neben die Kaffeemaschine, um seine dritte Meldung zu schreiben, die noch einmal die Fakten zusammenfasste und Peters Reaktion, die letzte Äußerung ausgenommen, wiedergab, und schickte sie um 9 . 32 Uhr ab. Dann wählte er die Nummer des Stockholmer Ressorts, das für Nordeuropa zuständig war.
»Ich brauche Unterstützung«, sagte er zu dem diensthabenden Journalisten.
In zwölf Stunden wäre die Stadt von Reportern belagert. Er musste die Zeit nutzen, die Tageszeitungen, Radios und internationale Fernsehsender brauchten, um jemanden herzuschicken. Samuel und seine Redaktion einigten sich über das weitere Vorgehen. Er hatte freie Hand und ein quasi unbeschränktes Budget für seine Recherchen. Zwei in Schweden stationierte Journalisten würden über den Öresund nach Kopenhagen kommen, um ihm zuzuarbeiten.
Dann rief er den Flughafen an und bestätigte seinen Flug nach V á gar, Färöer-Inseln um 10 . 50 Uhr. Er hatte Glück und könnte noch am selben Tag zurückfliegen. Während seine Kollegen auf die Pressekonferenz reagierten, würde er seinen zweistündigen Vorsprung nutzen, um eine Reportage am Ort des Geschehens zu machen. Jetzt ging es darum, dort Konkretes zu erfahren, aber auch Bilder und die Stimmung einzufangen. Wer kannte schon die Färöer-Inseln? Niemand. Während er Informationen und Reaktionen vor Ort sammelte, würde die Redaktion das Hintergrundmaterial zusammenstellen. Eine Karte der Insel, die Geschichte, Berichte über die Waljagden der letzten Jahre. Bis die anderen Zeitungen ihre Reporter dorthin schickten, wäre er schon zurück und würde dank Peters Unterstützung die Verletzten interviewen. Vielleicht könnte er mit Joanna oder Rachel sprechen. Und wieder begann sein rechtes Auge nervös zu zucken. Rachel … Seit acht Monaten versuchte er, nicht mehr an sie zu denken.
KAPITEL DREI
22. August. 17.30 Uhr. Rigshospitalet
»Mama, Mama, bist du wach? Maaamaa …«
Rachel Karlsen hörte die helle Stimme ihres Sohnes. Sie spürte, wie jemand ihre Wange streichelte. Ihre Lider waren schwer, sie musste sich an diese kleine Stimme klammern, um sie zu öffnen. Unter unglaublicher Anstrengung löste sie sich aus ihrer Benommenheit, schlug die Augen auf und sah in die blauen von Sacha, die ganz dicht vor ihr waren. Auf ihrem Gesicht spürte sie seinen warmen, süßen Atem.
»Schläfst du nicht mehr, Mama?«, fragte der Kleine.
Rachel verzog den Mund zu einem erschöpften Lächeln.
»Nein, nein, mein Liebling, Mama schläft nicht mehr.«
»Ich freue mich so, dich zu sehen. Bist du nicht mehr krank?«
»Doch, noch ein bisschen, aber ich nehme meine Medikamente, und dann wird es schnell besser.«
»Was hattest du?«
»Ich bin vom Boot gefallen und habe mir den Kopf gestoßen.«
»Bist du geschwommen?«
»Ja.«
»Ich habe dich lieb, Mama.«
»Ich dich auch, mein Liebling.«
Sie kämpfte mit den Tränen und streckte die Hand nach Sachas kleinem Gesicht aus. Der Junge begutachtete den Verband, den sie noch am Arm hatte. »Hast du Aua?«
»Ich hatte Aua, aber das ist jetzt vorbei.«
»Was hattest du denn für ein Aua?«
»Am Kopf. Der Doktor hat einen kleinen Schlauch gelegt, um mir meine Medikamente zu verabreichen, aber nun hat er ihn abgenommen.«
»Tut es noch weh?«
»Nein, ich nehme ja meine Medizin, damit es nicht wehtut.«
Rachel hob die Finger ihres Sohnes an ihre Lippen und drückte einen Kuss darauf. »Geht es dir gut, mein Häschen?«
Ich hatte solche Angst, dich nie wiederzusehen, fügte sie in Gedanken hinzu.
Die Zimmertür öffnete sich, und eine große, blonde Dame trat ein. Christa, neunundsechzig Jahre, gut aussehend und von stolzer Haltung, trug ihren klassischen Bananenknoten – die einzige Erinnerung an ihren früheren Beruf als Stewardess –, der den Hals und das wohlgeformte ovale Gesicht hervorhob. Ein dichter, glatter Pony betonte die lebhaften grünen Augen. Ihren taillierten Blazer in den Farben der Danish Airways hatte sie gegen bunte Kleidung eingetauscht, die dem freien, lässigen und phantasievollen Aspekt ihrer Persönlichkeit entsprachen. Heute trug sie ein luftiges ärmelloses Seidenkleid in Englischgrün, das an den Hüften von einem schmalen geflochtenen Gürtel gehalten wurde.
»Na also, sie ist ja wach! Guten Tag, willkommen unter uns!«
Christa eilte zum Bett, beugte sich über
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