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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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mitgenommen hatte. Sie würde noch fünf Minuten warten und dann trotz der späten Stunde Niels und Monika anrufen.
    Es klopfte dreimal an der Tür.
    Rachel zuckte zusammen und sprang auf. Sie lief auf den Flur und rief: »Wer ist da?«
    »Ich bin es«, antwortete Niels.
    Rachel hoffte, er würde ihr vielleicht Sachas Pass bringen. Wie am Vorabend stand Niels auf der Schwelle, doch der stolze, selbstsichere Seemann hatte all seine Ausstrahlung verloren, und sie hatte einen aufgelösten Mann mit blutunterlaufenen Augen vor sich, der nach Alkohol roch.
    »Meine Mutter …«, stieß er hervor.
    Rachel fragte sich, was wohl das weiße Bündel enthalten mochte, das er im Arm hielt.
    ■ ■ ■
    Nachdem Niels sich übergeben hatte, zitterten zwar seine Hände noch immer, aber es ging ihm besser. Die Ellenbogen auf die Schenkel gestützt, den Kopf in den Händen vergraben, starrte er auf das weiße Bündel, das er auf den Couchtisch gelegt hatte. Steif wie eine Statue saß Rachel ihm gegenüber auf einem Kissen am Boden. Sie hatte noch nicht wirklich begriffen, was sie gerade gesehen hatte. Zwischen zwei Schlucken Aquavit hatte Niels erzählt, er habe den Gefrierschrank, den er über eBay verkauft hatte, säubern wollen und dabei den Fötus entdeckt.
    Zunächst hatte er ihn für einen getrockneten Fleischrest gehalten, doch dann Arme und Beine erkannt. Während Rachel ihm schweigend gelauscht hatte, war ihr übel geworden. Sie hatte geglaubt, sich ebenfalls übergeben zu müssen, doch nach und nach war das Unwohlsein verflogen. Aber sie musste unentwegt das »Ding« ansehen. In ihrem Gehirn, das im Zeitlupentempo arbeitete, nahm langsam eine Idee Gestalt an. Sie zwang sich, das Bündel zu berühren, und hob eine Ecke des Tuchs an. Sie wollte nicht das kleine Füßchen sehen, von dem sie den Blick abwandte, sondern das Laken. An Rand des ausgewaschenen blauen Stoffs stand in Großbuchstaben » RIGET «.
    »Es handelt sich um ein Krankenhauslaken«, sagte sie.
    Niels sah sie aus seinen geröteten Augen an.
    »Aber was um Himmels willen hat sie getan? Was ist das für ein › Ding ‹ ?«
    »Es ist kein › Ding ‹, Niels, sondern ein Fötus. Er scheint mir noch sehr klein, aber es ist tatsächlich einer.«
    »Ich verstehe das nicht …«
    »Vermutlich handelt es sich um einen abgetriebenen Fötus.«
    »Aber wie ist er in den Gefrierschrank meiner Mutter gekommen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Aber während Rachel das sagte, drängte sich ihr bereits eine Vermutung auf. »War noch irgendetwas anderes in dem Tuch?«, fragte sie so beherrscht wie möglich, damit wenigstens einer von beiden Haltung bewahrte.
    »Da waren noch Kräuter, Samen und ein kleines Holzkreuz …«
    Rachel erhob sich langsam. »Genau das habe ich befürchtet. Bleib hier, und pass in der nächsten Stunde auf Sacha auf.«
    Sie nahm eine Sporttasche, die sie nicht mehr benutzte und eigentlich wegwerfen wollte. Dann wickelte sie den Fötus und die Plazenta sorgsam wieder in das Tuch und legte sie hinein. Als sie den Reißverschluss zuzog, schloss sie die Augen und sprach, obwohl sie nicht gläubig war, ein stummes Gebet.
    ■ ■ ■
    Tagsüber lügt es sich leichter … so hatte Samuel Bob Howard zitiert. Es war besser, die Leute nachts zu befragen, diesen Ratschlag des guten alten Bob würde nun auch Rachel befolgen. Es war fast zehn Uhr, als sie die Tasche mit dem makaberen Inhalt auf den Beifahrersitz stellte. Um sich Mut zu machen, schaltete sie das Radio ein: James Blunt erinnerte sie daran, dass das Leben auch schön sein konnte. Dafür war sie ihm dankbar. Sie fuhr los.
    ■ ■ ■
    Emil Hansen hatte seiner Frau eine Nachricht hinterlassen, wegen eines kurzfristigen Bereitschaftsdienstes komme er heute Abend nicht nach Hause, was ihm sehr leidtue. Die Wahrheit war, dass er so wenig Zeit wie möglich mit ihr verbringen wollte. Die häusliche Atmosphäre war wegen einer Erbschaftsangelegenheit unerträglich geworden. Der Professor hatte von seiner hundertjährigen Mutter ein Aktiendepot im Wert von 2 , 6 Millionen Kronen und ein kleines Häuschen auf Jütland geerbt. Hansen hatte seiner Frau gesagt, dass er gerne das Haus behalten und das Geld in seine Stiftung investieren wolle, die den Namen seiner verstorbenen Tochter trug. Davon wollte aber seine Frau, die nicht Camillas Mutter war, nichts wissen. Sie plante vielmehr, die Hütte zu verkaufen und mit dem Erlös und einem Teil des Aktienpakets ein schönes Wochenendhaus zu erstehen. Sie hatte

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