Wehrlos: Thriller
Kronen teure Maschine war zu etwa siebzig Prozent von RenokPharma finanziert worden.
»Ein hervorragendes Gerät. Ich muss dir auch von meinen ersten Versuchen mit Valdoman berichten, sie sind sehr ermutigend.«
Valdoman war das erste Antidepressivum für Jugendliche, das RenokPharma entwickelt hatte und das in der neuropädiatrischen Abteilung von Doktor Hansen getestet wurde.
»Dürfen wir, Christian und ich, dich beim Galaabend der Stiftung zu unseren Gästen zählen?«
»Gerne. Und wir möchten uns auch an der Organisation des Abends beteiligen. Du weißt, wie verbunden wir deinem Kampf sind.«
Wenn Renoksen und Hansen sich in einem Punkt verstanden, dann war es ihre Auffassung von Forschung. »Die wahren Entdeckungen macht man, wenn man sich von den alten Pfaden entfernt, sich für Ungewöhnliches interessiert und kreativ ist«, lautete ihre Devise.
Hans Renoksen trank genüsslich sein Bier. Er lächelte.
»Emil, wie ich dir am Telefon schon gesagt habe, brauche ich deine Hilfe.«
»Ich höre.«
»Der kleine Sacha Karlsen ist einer deiner Patienten, nicht wahr?«
Hansens Gesicht blieb ausdruckslos. »Wie immer bist du gut informiert.«
»Du weißt ja, dass ich viele Leute aus deiner Abteilung kenne.«
»Natürlich, du bist hier wie zu Hause. Und weiter?«
»Wir möchten ihm auf die eine oder andere Art helfen. Wäre es möglich, im Vertrauen über seine Krankenakte zu diskutieren?«
»Das hängt davon ab, was du wissen willst.«
»Man hat mir gesagt, dass er seit zwei Wochen Physiotherapie bekommt und sensationelle Fortschritte gemacht hat, obwohl er an einer unheilbaren Spina bifida leidet. Woran liegt das?«
Hansen schien verlegen. »Nun, sagen wir, dass es sich um einen wirklich außergewöhnlichen Fall handelt.«
Er erhob sich und schloss die Tür seines Sprechzimmers.
■ ■ ■
Rachel schlich sich in das Zimmer ihres Sohnes und knipste die Nachttischlampe an. Ein gedämpftes orangefarbenes Licht erhellte den Raum. Vorsichtig zog sie die Bettdecke von Sachas Schultern und schob die Hose seines Batman-Schlafanzugs ein Stück hinunter. Bis zur letzten Sekunde hatte sie gebetet, es möge sich um einen Irrtum handeln, den Wahnsinn einer verrückten Hellseherin, aber da war wirklich der kleine Punkt im Lendenbereich, die Narbe der Biopsie. Rachel machte das Licht aus und schmiegte sich an ihren Sohn.
Sie schlang ihre Arme um seinen Körper und sog tief den leichten Aprikosenduft seines frisch gewaschenen Haars ein. Gemeinsam hatten sie so viele Prüfungen überstanden, doch nie hatte sie in Erwägung gezogen, er könnte einmal nicht mehr da sein. Sie versuchte kurz, sich ein Leben ohne Sacha vorzustellen, doch das war völlig unmöglich. Sacha erfüllte ihr ganzes Denken, jede Zelle ihres Körpers. Ihn zu verlieren, das würde bedeuten, sich selbst auszulöschen. Rachel begriff, dass sie das nicht überleben würde. Zum Weinen war es jetzt zu spät. Sie zog ihn an sich, um ihm Kraft zu geben, damit er gegen die degenerierten Zellen ankämpfen konnte, die sich vielleicht unkontrolliert in seinem Körper vermehrten, und die nötige Energie hätte, um den Kampf gegen sie aufzunehmen und auch zu gewinnen.
KAPITEL EINS
1. September
Achtzehn, neunzehn, zwanzig. Samuel absolvierte seine letzten fünf Liegestütze in einem Höllentempo, dann sprang er auf. Heute Morgen hatte er die geistige Verfassung eines Albert Einstein und Lust, alles zu bewältigen, was ihm in den Weg kam. Er würde den größten Knüller seiner bisherigen Karriere landen. Seit dem frühen Morgen nahm der Artikel in seinem Kopf Form an. Nachdem er seine Töchter um sieben Uhr geweckt und ihnen ein Frühstück zubereitet hatte, mit allem, was sie besonders gern aßen, hatte er ihnen trotz ihrer Proteste – »wir sind doch keine Babys mehr, Papa« – bei der Katzenwäsche und beim Anziehen für die Schule geholfen. Sie unter der Woche bei sich zu haben war eine Ausnahme. Ein Gefallen, den er seiner Exfrau erwies, die für zwei Tage in Brüssel war. Samuel nutzte jede Gelegenheit, um mehr Zeit mit seinen beiden Prinzessinnen zu verbringen. Er selbst hatte eine sehr enge Beziehung zu seinem Vater gehabt, der sein Vorbild und Mentor gewesen war. Daher war Samuel der Meinung, das gute Verhältnis zwischen Vater und Kind sei eine notwendige Grundbedingung. Und er hatte nicht die Absicht, einem anderen Mann, auch wenn es ein sympathischer Stiefvater war, die Erziehung zu überlassen.
Im Moment saßen die Kleinen in der
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