Wehrlos: Thriller
benommen.«
Sie ließ das Badewasser ablaufen und bereitete ein warmes Handtuch für ihren Sohn vor. Der griff, dem Gespräch gegenüber offensichtlich gleichgültig, nach seinem Dinosaurier und setzte ihn auf den Schneescooter.
»Gut, sag mir nächstes Mal bitte vorher Bescheid.«
Während Christa in die Küche ging, zog Rachel Sacha für die Nacht an und trug ihn zu seinem Hochstühlchen.
■ ■ ■
Die Fleischbällchen und der Gemüseeintopf waren köstlich, Sacha aß mit gutem Appetit, und die Stimmung war entspannt. Bei einer Flasche Bier unterhielten sich die beiden Frauen über den bevorstehenden siebzigsten Geburtstag von Christa, das große Essen, das sie ausrichten wollte, das Menü und die Gästeliste. Christa lud gerne ein und träumte davon, zu dieser besonderen Gelegenheit ihre besten Freunde zu einem ausgefallenen Mahl zu versammeln.
»Wenn ich Monica, Magdalone, die Freundinnen aus dem Lesezirkel plus meine alten Kolleginnen und ein paar Nachbarn einlade, sind wir etwa fünfundzwanzig Personen. Ein normales Essen ist langweilig. Ein Büfett scheint mir geeigneter, was meinst du?«
»Ja, das ist viel besser. Warum nicht ein Sushibüfett? Ich kenne einen guten Japaner, der nach Hause liefert.«
»Vielleicht ist roher Fisch nicht jedermanns Sache«, überlegte Christa laut. »Also müsste man auch etwas anderes anbieten. Warum nicht eine warme Lachsterrine mit frischem Gemüse? Ich könnte natürlich auch eine Quiche machen. Ich habe gute Rezepte. Und dazu für alle verschiedene Salate. Wir könnten auch Sake trinken. Das wäre lustig und auch recht originell. Mal etwas anderes als die üblichen Smörrebröds.«
»Vielleicht könnten wir ausnahmsweise einen Feinkosthändler beauftragen?«, meinte Rachel.
»Um Gottes willen, nein, das ist so offiziell.«
Rachel war fertig mit Essen. Den Ellenbogen auf den Tisch gestützt, lauschte sie Christa und fragte sich, was sie ihr wohl diesmal schenken könnte. Vielleicht würde ein Spa-Wochenende ihr Freude machen oder ein neues Fahrrad mit Gangschaltung? Sie überlegte auch, ob Niels vorhatte zu kommen, wagte aber nicht, die Frage zu stellen. Niels war mit der Zeit zu einem Tabuthema zwischen ihnen beiden geworden. Sie würde sich später erkundigen, denn sie musste es wissen, um Sacha langsam darauf vorzubereiten. Plötzlich spürte Rachel die ganze Müdigkeit der letzten Tage und sehnte sich nur noch nach einem heißen Bad und ihrem Bett. Aber ihr Tag war noch nicht zu Ende. Daran erinnerte sie der Klingelton ihres Handys. Es war Samuel auf dem Weg nach Ø restad. Rachel fluchte leise. Sie verbarg das Handy in der Hand und flüsterte Christa zu: »Glaubst du, du könntest noch bei Sacha bleiben? Ich muss einen Journalisten treffen.«
Christa nickte, und Rachel verabredete sich für zehn Minuten später mit Samuel in der Bar des Bella Sky .
■ ■ ■
Als sich Rachel wieder auf den Weg zum Bella Center machte, hatte sie den Eindruck eines Déjà-vu-Erlebnisses. Sie hatte den Gürtel ihres schwarzen Trenchcoats zugezogen und eilte auf die beiden Türme des International Bella Sky Hotel zu, das hinter der Kongresshalle lag. Ihr Herz schlug ungewohnt heftig. Es ist nur ein Interview . Aber sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Sie fürchtete sich davor, zum ersten Mal seit letztem Winter mit dem Reporter allein zu sein. Der störende Gedanke, den sie mit aller Kraft zu vertreiben suchte, seit von Lommel wieder aufgetaucht war, umschwirrte sie wie eine lästige Mücke. Es lagen nur noch fünfhundert Meter vor ihr. Rachel knurrte: Hör schon auf! Es ist nichts gewesen. Du bist schließlich nicht mehr fünfzehn. Aber es half nichts, die Erinnerung an einen gewissen Samstag im Dezember 2009 ließ sich nicht abschütteln.
Am Abend des 12. Dezember, zwischen zwei Verhandlungswochen, hatte das traditionelle Fest der Nichtregierungsorganisationen stattgefunden.
Das Organisationskomitee hatte den Vega Natklub gemietet, einen riesigen Nachtklub, zehn Minuten vom Kopenhagener Hauptbahnhof entfernt, der Tausende von Aktivisten, aber auch die Unterhändler, Beobachter und einige Journalisten aufnehmen konnte, sofern sie ohne Kamera und Mikro kamen und es geschafft hatten, sich ein Einlassticket zu besorgen.
Rachel, Peter und Paula waren nach ihrer Auswertung der Großdemonstration, die am Tag stattgefunden hatte, erst kurz vor Mitternacht ins Vega gekommen. Hunderttausende von Umweltschützern und Globalisierungsgegnern in blauen und roten Ponchos waren
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