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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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bis schließlich das Gespräch erneut versiegte.
    Verunsichert und unfähig, sich vom Fleck zu rühren, blieb Rachel sitzen.
    Von Lommel streichelte ihre Hand. »Du erinnerst mich an Carmen.«
    »Die Oper?«, fragte Rachel.
    »Ja …«
    »Warum?«
    »Du verwirrst mich genauso wie sie.«
    Rachel senkte die Augen. Erzählte er das all seinen Eroberungen? Dabei klangen seine Worte spontan. Samuel beugte sich über sie und küsste sie zart. Sein Duft und seine weichen Lippen machten sie verrückt und entflammten ihren ganzen Körper. Ihre Küsse wurden immer begieriger. Vor Verlangen bebend, umarmten sie sich, bis Samuel ihr zärtlich zuflüsterte: »Lädst du mich zu dir ein?«
    Trotz des inneren Fiebers, der Sehnsucht nach Zärtlichkeiten und Berührungen erstarrte Rachel. Denn mit einem Mal, innerhalb weniger Sekunden, sah sie vor sich, wie Samuel in ihrer Wohnung die für Sacha erforderliche Einrichtung entdeckte: den Liegestuhl mit den Gurten, den Behindertengriff neben der Toilette. Und sie stellte sich vor, wie sie langwierige Erklärungen über die Geburt, die Kapseln, das PCB , die Spina bifida und das Verschwinden von Niels abgeben würde. Es war, als träfe die Last des Alltags sie mit voller Wucht. Ihr Verlangen hatte sich in einen Eisklumpen verwandelt. Sie würden vermutlich eine Nacht miteinander verbringen, und dann? Samuel würde irgendeinen Vorwand finden, um die Beziehung abzubrechen. Deshalb zog Rachel es vor, sich gleich von ihm zu verabschieden, statt darauf zu warten, dass er einen Rückzieher machte, sobald er ihre Situation begriffen hätte.
    Sie hatte ihn, plötzlich ernüchtert, angesehen und gesagt: »Lieber nicht.« Etwas zu knapp und zu hart. Sie war seinem Blick ausgewichen, ausgestiegen und hatte die Wagentür einfach hinter sich zugeschlagen. Das Auto war augenblicklich mit im Schnee knirschenden Reifen angefahren.
    Tieftraurig hatte sie die ganze Nacht keinen Schlaf gefunden.
    Erst am darauffolgenden Montag, dem 14. Dezember, hatten sie sich im Bella Center wiedergetroffen und ihr Gespräch über die UNO -Verhandlungen weitergeführt, so als wäre nichts gewesen.
    Am 15. Dezember war mittags eine von Samuel von Lommel unterzeichnete AFP -Meldung veröffentlicht worden, die den Ausschluss der Nichtregierungsorganisationen bekannt gab. Am Morgen hatten nicht einmal Friends of the Earth und Avaaz Zutritt zum Konferenzzentrum gehabt. Am 16. Dezember befand sich nur noch eine Handvoll Aktivisten im Bella Center, das sich in ein abgeschottetes Camp verwandelt hatte. Die Konferenz von Kopenhagen ähnelte einem G 8 -Gipfel, und Rachel und ihre Freunde hatten die Nacht in Handschellen auf dem Polizeirevier verbracht.
    Als sie sich dem Treffpunkt näherte, erinnerte sich Rachel an von Lommels Meldung, die Jesus ihr erbost unter die Nase gehalten hatte. Der Verrat hatte einen widerwärtigen Beigeschmack gehabt und war umso bitterer, als er von jemandem kam, den sie mochte. Rachel hatte durch die Indiskretion eines anderen Journalisten erfahren, dass Samuel bereits am Vortag – am Abend des 14. Dezember – von der Entscheidung des UNO -Sekretariats gewusst, jedoch vor der Veröffentlichung der Meldung die Bestätigung von anderer Seite abgewartet hatte. Samuel war ihr an diesen Tagen mehrmals über den Weg gelaufen, ohne irgendetwas zu sagen oder auch nur anzudeuten. Was auch immer Joanna sagen mochte, die wertvollen Stunden, die die Umweltorganisationen verloren hatten, hätten zu einem Gegenangriff genutzt werden können – zu einer Demonstration oder Besetzung der Örtlichkeiten. So hingegen war es ein ungeordneter Rückzug gewesen, jeder auf sich allein gestellt und auf der Jagd nach einem neuen Badge für das Bella Center. Eine totale Niederlage für die Nichtregierungsorganisationen. Und Rachel glaubte, auch wenn dies vielleicht eine Illusion war, dass das Ergebnis der Verhandlungen anders ausgefallen wäre, wenn sie bis zum Schluss hätten bleiben können. Aber das war nicht der Fall gewesen, und die Folgen waren bekannt.
    ■ ■ ■
    Rachel blieb vor den Doppeltürmen des Bella Sky stehen.
    Die große verglaste Lobby des Viersternehotels war in einem modernen, skandinavisch-puristischen Stil gehalten. Rachel nahm den Aufzug, fuhr in den obersten Stock und betrat die Sky Bar , die einen Panoramablick über die Lichter der Stadt bot.
    Es gab nur wenige Gäste. Sofort entdeckte sie Samuel, der in einem runden Sessel saß. Vor ihm auf dem niedrigen Tisch stand ein Glas, auf seinen Knien

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