Weichei: Roman (German Edition)
emotionalisierten Lederballs und biete ihm daher eine deutliche Wortmeldung an.
»Bestell dir dein Scheißbier selber und mach hier nicht einen auf Teilzeit-Dalai-Lama …«
Weiter komme ich nicht mit meiner Schimpftirade. Denn als ich ihm auch noch zurufen will, doch mal weniger auf »dicke Hose« zu machen, sehe ich in das Gesicht eines Mannes, den ich niemals beschimpfen würde. Er braucht nicht auf dicke Hose zu machen, er ist die dicke Hose , meine dicke Hose , die dickste aller Eintracht-Hosen , die Hose, die ich immer sein wollte. Vor mir steht Charly Körbel. Leibhaftig. Der treue Charly.
»Tut mir leid, ich komm nur nicht ganz nach vorn. Vielleicht wärst du so nett und gibst einfach die Bestellung weiter.«
Anstatt zu antworten, blicke ich nur stumm mit offenem Mund und schaffe es gerade noch, die Bestellung nachvollziehbar weiterzugeben.
»Danke. Ich weiß, das nervt, aber ich bin gleich wieder
weg.« Er nickt mir zu, als würden wir uns vom letzten Promikick kennen.
»Kein Problem.«
»Super, danke dir.«
Und nett ist er auch noch.
»Sonst alles klar?«, fragt er. »Scheinst ein wenig angespannt zu sein. Wir haben doch einen Punkt geholt.«
»Ja«, antworte ich etwas wortkarg und schiebe immerhin halbherzig hinterher: »Haben wir …«
»Kennen wir uns?«
»Nein, Herr Körbel, das glaube ich nicht.«
»Lass mal das Herr Körbel weg. So nennt mich hier sowieso keiner. Ich bin der Charly.«
»Robert.«
»Sponsor oder Spieler?«
»Wie?«
»Die meisten hier sind entweder Sponsor oder haben die Karte über einen Spieler bekommen.«
»Ach, nix von beidem.«
»Eine Bekannte hat mich mitgenommen.«
Bei dem Begriff Bekannte zieht sich mein Magen unweigerlich zusammen und sammelt fleißig Pepsinsäfte, die er gerne über die Speiseröhre ans Tageslicht befördern würde. Was ist denn nur los mit mir?
»Ach ja, mit wem bist du denn hier?«
»Jana. Jana Westhoff.«
»Jana Westhoff sagt mir nix.«
»Ihr Vater war mal Physiotherapeut bei der Eintracht.«
»Ach die Jana. Das gibt’s doch nicht. Sie hieß damals aber noch anders. Jedenfalls nicht Westhoff. Na ja, hat wohl geheiratet zwischendurch. Die habe ich ja hier schon ewig nicht mehr gesehen.«
GEHEIRATET? Mir hämmert jeder Buchstabe einzeln im Hirn.
»Sie … du kennst Jana?«
»Klar, als kleines Mädel hat sie immer ihren Vater begleitet. Der war Masseur bei uns. Aber das weißt du bestimmt.«
»Ja, schon von gehört.«
»Und später war sie dann mit dem Dings zusammen. Wie hieß der doch gleich?«
Und wieder fährt meine Magensäure im Röhrensystem meines Körpers Aufzug. Jana war mit einem Spieler zusammen? Oder ist sie das vielleicht immer noch? Bei dem Gedanken daran verschlucke ich mich fast an meinem Bier.
»… musst entschuldigen, ich komm nicht drauf. Westhoff hieß der aber nicht. Aber ich kann mir ja auch nicht alle Spieler merken, die hier mal gegen die Kugel getreten haben.«
Charlys Bier wird gebracht, und er stößt mit mir an. Ich habe meinen Teil der aktiven Konversation soeben eingestellt.
»Na dann, schönen Abend noch, und grüß Jana lieb von mir.«
»Mach ich. Ciao, Charly.«
Soeben habe ich Charly Körbel persönlich kennengelernt. Das Idol meiner Jugend. Mein Eintrachtgott. Und ich? Ich sitze hier und fühle mich, als hätte mir jemand eröffnet, dass ich Privatinsolvenz anmelden muss.
Ich entscheide mich dazu, einige weitere Probegläser Bier zu verkosten und ärgere mich über mich selbst. Warum bin ich denn auf einmal so schlecht drauf? Und warum zur Hölle hat mir Jana verschwiegen, dass sie mal eine von diesen blöden Spielerfrauen war?
Just in diesem Moment findet sich besagte Madame wieder
neben mir ein und schaut so aus, als habe sie eine Menge Spaß hier mit all den Leuten.
»Da bist du ja. Ich habe dich schon gesucht.«
»Ach ja? Siehst nicht so aus, als hättest du gerade Gedanken an meine Suche verschwendet.«
»Doch, ich hatte halt noch einige Bekannte getroffen.«
»Hab ich gesehen. Hast ja ’ne Menge Bekannter hier.«
»Ja. Witzig, die nach so langer Zeit alle wiederzusehen.«
»Willst du vielleicht noch irgendjemand Bestimmten deiner Bekannten Hallo sagen?«
»Ne, denke nicht.«
»Vielleicht einem Exehemann?«
»Was?«
»Ist schon okay, lass dich von mir nicht aufhalten. Ich hau jetzt sowieso ab.«
Theatralisch greife ich mir meine Jacke und mache Anstalten, nun direkt von dieser illustren Runde zu verschwinden.
»Sag mal, was ist denn mit dir los?«
»Nix, was soll
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