Weichei: Roman (German Edition)
Gegner sind die grün-weißen Fischköppe von Werder Bremen. Sofort schlage ich zu. Das kommt mir nämlich gerade recht. Ich frage Jana, ob sie Lust hätte. Eine Art Abschiedsgeschenk. Frauen mögen nun mal einfach keinen Fußball. Das wird es für sie leichter machen, wenn wir uns danach nicht mehr treffen werden. Denn mein Ziel, dass Steffi und ich wieder zusammenkommen, liegt nun in greifbarer Nähe. Das würde mir auch die schmerzhafte Aufklärung meiner Lügengeschichte ersparen. Und vielleicht ist Jana nach dem Stadionbesuch ja so abgenervt, dass sie von sich aus gar keine Lust mehr hat, mich zu sehen. Das wäre natürlich das Allerbeste, denn ich möchte sie nicht verletzen. Wobei ich gar nicht weiß, ob sie das so empfinden würde. Sie hat sich mit unserem Hotelarrangement immer bestens abgefunden.
Weiterer Nebeneffekt des Fußballevents: Im ganzen Waldstadion gibt es keinen einzigen Veganer- oder Sushi-Stand. Und ’ne Weinprobe wird’s im Fanblock wahrscheinlich auch nicht geben. Nur feinste hessische Fleisch- und Wurstwaren sowie Bier aus echten Brauereien mit ungesundem Alkohol. Lecker!
Nachdem wir uns von der Hauptwache aus in die hoffnungslos
überfüllte S-Bahn geschoben haben, rollen wir also dicht an dicht gedrängt gen Stadtwald hinaus. Immer wieder mustere ich Jana, doch die stört sich erstaunlicherweise an nichts. Weder an der nach Bier stinkenden Eintracht-Jeanskutte, die ihr der adrette Herr mit Hautausschlag und Schweißflecken in Frisbeegröße in regelmäßigen Abständen ins Gesicht schmirgelt, noch an den nicht ganz jugendfreien Sprechchören des Adlerfanclubs »EFC 2-Promille Bischofsheim«.
Komisch.
Das war anders geplant.
Ich hätte wetten können, dass sie das völlig abnervt.
An unseren Plätzen angekommen, zeige ich ihr stolz den Ausblick über »mein Stadion«. Ja, hier kann ich Geschichten erzählen, die jeden Fernsehfußballfan vor Neid erblassen lassen. Ich fange an und erzähle ihr von den glanzvollen Spielen mit Yeboah, Okocha, Bein und Möller, dem niemals heilen wollenden Schmerz von Rostock, Alex Schurs Kopfballtor zum Aufstieg 2004, den Siegen gegen Bayern München und meinem Helden: Charly Körbel, der treue Charly, der jedes einzelne seiner sechshundertzwei Bundesligaspiele für die Eintracht bestritt. Und ich war oft dabei. Am Ende meines zehnminütigen Monologs schaut sie trotz allem nicht wirklich so gelangweilt aus ihren großen Augen, wie ich dachte. Stattdessen nickt sie verständnisvoll und fügt fast entschuldigend die dazu passende Erklärung an.
»Ich weiß das alles, Robert. Ich war bei all den Spielen auch dabei.«
»Wie, du warst auch dabei?«
»Na ja, mein Vater war Physiotherapeut bei der Eintracht und hat mich immer zu den Spielen mitgenommen.«
»Was? Und das sagst du mir erst jetzt?«
»Ich dachte nicht, dass es wichtig wäre. Oder hättest du mich sonst nicht mitgenommen?«
»Doch«, stottere ich hilflos. »Doch, na klar.«
»Na siehste. Also, wie sieht’s jetzt aus, holst du oder ich?«
»Was soll ich holen?«
»Na Bier. Oder willst du lieber ein Äppler? Ach lass mal, du hast die Karten besorgt, also gehe ich.«
Noch bevor ich eine Antwort geben kann, hat Jana ihren Geldbeutel aus der Tasche gekramt und macht sich auf den Weg. Ich rufe ihr noch hinterher, dass ich ein Bier nehme, und bin sichtlich beeindruckt, als sie sich durch die Sitzreihen schiebt. Kein Veganerbier? Kein Sushi? Was ist denn nur los mit ihr?
Die erste Halbzeit verläuft, wie so oft bei der Eintracht, wenig spektakulär. Dennoch sind die Fans super drauf und die Stimmung ist fantastisch. Jana hat ihr Bier schon zur Hälfte leer getrunken, und nach zehn Minuten steht es 0:2 für Bremen. Normalerweise ein todsicherer Grund dafür, dass der restliche Tag für mich eher im unteren Drittel meines Fröhlichkeitslevels verlaufen wird. Aber nicht so heute.
Zwar sitzt hinter uns eines dieser ständig nörgelnden Exemplare, das jede Aktion auf dem Feld mit einem selten dummen Kneipenkommentar quittieren muss. Aber was soll’s. Ich habe eine Menge Spaß mit Jana, die sich als wahre Fußballfachfrau herausstellt, was ja auch nicht verwundert, wenn sie wie ich die halbe Kindheit und Jugend im Waldstadion verbracht hat.
Auch die zweite Hälfte verläuft, wie Spiele der Eintracht nun mal verlaufen. Alle schimpfen, nix funktioniert, die Ersten verlassen das Stadion, der Gegner versemmelt beste Chancen und haut sich stattdessen ein halbes Eigentor rein, und zu guter Letzt
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