Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
brachten es heim. In ihrem Hause stand eine alte Truhe – sonst hatten sie kein Möbelstück weiter – diese öffneten sie und schütteten alles Gold hinein.
»Hör, Seághan«, sagte die Mutter, »wenn du irgend jemand erzählst, daß wir das hier fanden, dann zerschlage ich dir die Beine mit der Feuerzange.«
»Ich will’s gewiß nicht tun«, sagte er, »denn mir tun die Beine schon weh genug.«
Mittlerweile war es natürlich Nacht geworden, und Seághan sagte seiner Mutter, sie sollte ihm Abendbrot geben, damit er schlafen gehen könnte. Er bekam es. Nach dem Essen befahl ihm die Mutter, vor dem Zubettgehen die Ziegen zu holen. Weinend machte er sich auf, denn ihm waren die Beine kalt. Er suchte lange, bis er die Geißen fand, und brachte sie heim. Dann wusch er sich die Füße und ging schlafen.
Als er am nächsten Morgen aufstand, lag Schnee. Die Mutter trieb ihn an, die Ziegen auszuführen und zu hüten. Er ging, kam aber nicht weit. Ihn fror zu sehr, darum kehrte er um und sagte, er wollte nicht wieder bis zur Nacht draußen bleiben. Seine Mutter ergriff die Feuerzange und versetzte ihm damit ein paar Hiebe. So brachte sie ihn hinaus. Sie fürchtete nämlich, sie kämen irgendeinem Nachbarn ins Gehege und man könnte sie deshalb bestrafen.
Weinend ging Seághan fort. Nicht weit von zu Hause fiel ihm der Alte ein, den er tags zuvor auf dem Felde umgeworfen hatte. Er wollte hingehen und sehen, ob er tot oder lebendig war. Als er auf das betreffende Feld kam, auf dem der Alte lag, erblickte er bei ihm einen vornehmen Mann mit der Jagdflinte. Dieser besah sich den Pfosten und wunderte sich, was ihn umgeworfen haben konnte. Er wollte sich gerade wieder fortwenden, als Seághan auf ihn zu trat.
»Lebt er noch, Herr?« fragte er.
»Wer?« fragte der Edelmann.
»Ich weiß nicht, wer er ist, wenn du es nicht weißt«, sagte Seághan.
»Wer sollte denn leben?« fragte der Herr.
»Der Stumpf da von Mensch, der dort ausgestreckt liegt«, erwiderte Seághan.
»Weißt du denn, was ihn umwarf?« fragte der Herr.
»Sogar sehr gut! Ich tat es selber.«
»Warum denn?«
»Gestern kam ich heraus«, fing Seághan an, »um nach meinen Ziegen zu sehen, und da fand ich den dort mitten im Felde stehen. Der Schnee wehte über ihn, und er tat mir leid. Ich nahm meinen Mantel und warf ihm den um. Dann ging ich heim. Als ich nochmals herkam, hatte er meinen Mantel fortgeworfen, von oben herunter in den Schnee! Ich fragte ihn, warum er das getan hatte. Er gab mir keine Antwort, da machte ich mich an ihn heran so – mit der Schulter – und stieß ihn hin. Und da lagen, wo er gestanden hatte, lauter hübsche Steinchen.«
»Und wo sind diese nun?« fragte der Herr.
»Ich brachte meinen Mantel voll davon nach Hause zu meiner Mutter, und sie tat alle in die Truhe. Dann ging sie selbst hinaus mit mir, um davon mehr zu holen. Und diese taten wir auch in die Truhe, mit den andern zusammen.«
»Wo ist deine Mutter?«
»Zu Hause.«
»Komm, wir gehen zusammen hin zu ihr«, sprach der Edelmann.
»Ja, kommt!« sagte Seághan. Er war froh, eine Entschuldigung zu haben, um aus dem Schnee zu kommen. Sie gingen zum Hause der armen Frau. Der Herr grüßte sie, und sie erwiderte den Gruß.
»Wo sind die Steinchen, die ihr gestern zusammen hereinbrachtet?« fragte der Herr die alte Frau.
»Oh, in der Truhe, Herr«, gab sie zur Antwort.
»Gib sie mir heraus.«
»Ich kann nicht«, erwiderte sie.
»Weißt du«, sprach er, »daß ich der Eigentümer des Landes bin?«
»Ach nein, Herr.«
»Ja«, sagte er, »ich. Und mir gehört jeder Schatz in diesem Boden, und nun gib mir die Steinchen in der Truhe, oder ich erschieße dich hier mit dieser Flinte!«
»Aber wirklich, ich kann sie nicht herausholen, denn die Truhe ist zu tief. Nehmt selbst hier das Bänkchen dort unter die Füße. Vielleicht könnt Ihr sie dann herausheben.«
Er tat es, stellte sich auf das Bänkchen und bückte sich zur Truhe nieder, um die Steinchen zu fassen. Gerade als er sich hinunterbeugte, gab die Frau dem Manne einen Schlag auf den Hinterkopf, und er fiel in die Truhe hinein und war tot. Sie machte die Truhe über ihm zu und ließ ihn dort liegen, bis es dunkelte. Als es Nacht geworden war, rief sie Seághan, und die beiden zogen den Gutsherrn aus dem Kasten. Die Frau wand einen starken Strick um ihn und befahl Seághan heranzutreten, damit sie ihm den Leichnam auf den Rücken binden konnte.
»Was machen wir nun, Mutter?« fragte er, mit dem Herrn auf dem
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