Weihnachtsengel gibt es doch
dem Schal wickelte und aus dem Mantel schlüpfte, ließ sie ihren Blick durch die Bar gleiten, als stünde sie inmitten einer Opiumhölle. Sie warf der Gruppe Frauen in den engen Jeans einen Blick zu und zog unbewusst am Saum ihres Pullovers. Ganz eindeutig kam sie nicht oft hierher. „Es ist nicht spät. Ich bin eine Nachteule“, sagte sie und schob ihre Brille auf der Nase hoch.
Eddie fühlte sich geschmeichelt, dass sie sich so weit aus ihrer Komfortzone begeben hatte, nur um ihn zu sehen. Das hieß doch bestimmt, dass sie was für ihn übrighatte. Vermutlich konnte sie nicht aufhören, an ihn zu denken. Dann hätte Ray recht gehabt, was den Trucker anging.
„Sie haben gerade unseren Auftritt verpasst“, erzählte Eddie ihr. „Nächstes Mal sollten Sie ein bisschen früher kommen.“
„Ich bin nicht aus Spaß hier. Ich habe über das Programm nachgedacht“, erwiderte Maureen. „Ich wollte wissen, wie es mit Ihrem Song vorangeht.“
„Sie sind hergekommen, um zu sehen, ob ich meine Hausaufgaben mache?“ Eddie lachte, auch wenn er überhaupt nicht amüsiert war. Sie war nicht hergekommen, um ihn spielen zu hören, was ihn stärker störte, als er zugeben wollte.
„Ist das Lied fertig?“ Sie drehte sich zu Ray um. „Er wird dieses Jahr beim Krippenspiel einen selbst geschriebenen Song aufführen.“
„Unser Eddie – er ist einfach ein Guter“, sagte Ray.
„Verzieh dich“, grummelte Eddie.
„Hey, nur weil du Weihnachten hasst, heißt das doch nicht, dass es dem Rest der Welt genauso gehen muss.“
„Ich hasse Weihnachten nicht.“
„Sei in Gegenwart dieses Kerls bloß vorsichtig“, warnteRay Maureen. „Er hat so seine Probleme mit Weihnachten.“
„Quatsch“, widersprach Eddie. „Das ist ein Tag wie jeder andere auch.“
Ray nickte Maureen bedeutungsvoll zu. „Siehst du?“
„Weihnachtsleugner“, sagte sie.
„Genau“, stimmte Ray zu.
„Ich dachte, du bist mein Freund“, beschwerte Eddie sich.
„Habe ich dich nicht gerade einen Guten genannt?“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Ich muss los. Ich hab heute Spätschicht. Muss die Welt vor Weihnachtshassern schützen.“
„Hey“, sagte Eddie. „Jemand muss mich mitnehmen, schon vergessen? Mein Auto ist in der Werkstatt.“
„Ich kann Sie mitnehmen“, bot Maureen an. „Geh du nur, Ray.“
Tolley war verschwunden, bevor Eddie widersprechen konnte. Er wandte sich an Maureen. „Ich muss meine Gitarre holen.“
Sie schwieg, als sie kurz darauf nebeneinander zu ihrem Auto gingen. Er war ihr Gefangener.
„Was stört Sie denn jetzt schon wieder?“, fragte Eddie und legte seine Gitarre auf den Rücksitz. Ihr kleiner Prius war vollgepackt mit Sprach-CDs, Stricksachen, einem mit eingepackten Lebensmitteln gefüllten Karton der städtischen Tafel und Beuteln voller Vogelfutter.
„Warum glauben Sie, dass mich etwas stört?“ Maureen winkte ab. „Vergessen Sie es, Sie müssen darauf nicht antworten. Ihre Antwort würde mich nur verletzen.“
„Ha, ich wusste es. Irgendetwas stört Sie. Ich meine, mehr als der übliche Kram.“
Maureen drehte den Schlüssel im Schloss und stellte die Heizung auf höchste Stufe. Doch auch nachdem sie sich beide angeschnallt hatten, fuhr sie nicht los. Stattdessen wandte siesich zu ihm. „Wie wollen Sie ein schönes, liebevolles Weihnachtslied schreiben, wenn Sie Weihnachten hassen?“
Er musste lachen. Das ging ihr also durch den Kopf. „Genauso wie ich jeden anderen Song schreibe, eine Note nach der anderen. Ich muss nicht an das glauben, was ich schreibe.“
„Nicht?“
„Es ist nur ein Song, okay? Musik und Worte. Mit einem sehr speziellen Thema.“
Sie fuhr los und bog auf die Straße, die hügelabwärts führte.
Er sagte ihr seine Adresse und überlegte, ob er sie wohl noch hereinbitten sollte, wenn sie bei ihm angekommen waren. Ob er sie fragen solle, ob sie Lust hätte, noch ein bisschen bei ihm zu bleiben, sich noch ein wenig mit ihm zu streiten. Ja, das wäre lustig.
„Also haben Sie ihn schon geschrieben?“, hakte sie nach.
„Nein.“
„Wir brauchen ihn, Eddie. Warum haben Sie ihn noch nicht fer tig?“
„Verdammt, Maureen, ich hatte viel zu tun, okay? Ich brauche ein wenig Luft, um was zusammenzuschreiben.“
„Wie viel Luft?“
Sie war die nervigste Frau, die er je getroffen hatte.
„Wollen Sie eine Zahl wissen oder was?“
„Ja. Wie viel Zeit brauchen Sie? Dreißig Minuten? Eine Stunde? Einen Tag?“
„Mein Gott, das weiß ich
Weitere Kostenlose Bücher