Weihnachtskatze gesucht
Spiele. Aber sicher nicht komischer als Schneezweige haschen.
Sie kümmert sich nicht weiter darum, sondern jagte eine dreiste Schwarze durch das Weiß, dass es nur so stäubte. Sie fielen übereinander her, rollten herum, versuchten sich gegenseitig auf die Schwänze zu patschen, belauerten sich hinter einem Karton, sprangen dem irritierten Berni auf die Hundehütte, versetzten einen Esel derart in Schrecken, dass er ein misstönendes Iahh ausstieß, und blieben dann heftig atmend nebeneinander sitzen.
»Feines Spiel.«
»Mhm.«
Dass der Mann sie mit dem dritten Auge dabei verfolgt hatte, war ihnen völlig gleichgültig. Zufrieden trollten sie sich in die Scheune, um sich auf ihren Lagerplätzen auszuruhen.
»Komm in die Kiste, SueSue, ich wärme dich auf«, brummelte Ormuz, und SueSue nahm das Angebot dankbar an. »Aber nick nicht gleich wieder ein wie gestern. Du wolltest mir doch noch deine Geschichte erzählen.«
»Oh, wollte ich?«
»Natürlich. Ich könnte dir auch meine erzählen.«
|41| »Das würdet Ihr, weiser Ormuz?«
»Wenn du aufhörst, mich so ehrerbietig anzureden. Ich bin nichts weiter als ein alter, blinder Kater, SueSue.«
»Wenn du es wünschst, Ormuz.«
Natürlich würde sie seiner Bitte folgen, denn wenn Ormuz eines nicht war, dann
nur
ein Kater. Ein wenig musste sie gegen den Drang ankämpfen, sich an seinen warmen Bauch zu drücken und einfach einzudösen. Es gelang ihr dank ihrer großen Willenskraft, und so begann sie davon zu berichten, wie ihr Leben bisher verlaufen war.
»Meine Mutter war eine Schönheit, Ormuz. Und meine Wurfgeschwister allesamt auch. Darum haben uns die Menschen auch immer wohlwollend aufgenommen. Das heißt, die meisten von uns. Ich blieb bei Mama und einigen anderen, drei Jahre lang. Dreimal habe ich Nachwuchs gehabt, aber – na ja, die Hälfte davon waren eben keine Schönheiten. So wie ich eben auch nicht.«
»Keine Schönheit?«
»Nicht wirklich«, nuschelte SueSue.
»Ich kann dich ja nicht sehen, woran wurde denn deine Schönheit festgemacht?«
»An meinen Ohren. Und den Ohren meiner Kinder.«
»Ohren?«
»Sie sind zu klein, verdammt noch mal.«
Ormuz’ raue Zunge schlappte über ihren Kopf und die Ohren.
»Scheinen mir aber ziemlich normal.«
»Nicht für unsereins.«
|42| »Ich verstehe. Sie nannten dich eine Rassekatze.«
»Ja, eine Devon Rex. Lockiges Fell, zierlich, aber schöne große Ohren, gekräuselte Barthaare und so weiter. Mit Stammbaum.«
»Kenn ich. Affentheater, das. Haben sie dich ausgesetzt?«
»Nein, nein. Nur durfte ich keine Kinder mehr bekommen. Und dann kam eine Frau und hat mich fortgebracht. Das war mir ganz recht. Ich wollte nicht immer diese hämischen Bemerkungen hören, verstehst du. ›Ist ja ganz niedlich, die Kleine, aber die Ohren …‹«
»Mhm«, stimmte ihr Ormuz zu, und sie berichtete weiter: »Die Frau band mir eine Schleife um und drückte mich einer anderen Frau in die Arme. Das war soweit in Ordnung, wenn diese blöde Schleife nicht gewesen wäre. So was von affig!«
In Ormuz’ Brust entstand ein Geräusch, das sich sehr eigenartig anhörte.
»Lachst du über mich?«
»Natürlich nicht. Ich meine, ich kenne das mit den Schleifen. Was hast du damit gemacht?«
»Abgestreift, unter dem Bett vergraben. Da war der Teppich locker.«
»Hätte ich auch gerne hin und wieder gemacht. War das Revier in Ordnung?«
»Richtig gut. Und die Menschenfrau auch. Der waren meine Ohren so was von egal. Die bewunderte meinen Charakter. Die hatte Katzengene, ganz bestimmt. Du weißt, manchmal findet man solche Seelenfreunde.«
|43| Brummeln, ganz tiefes Brummeln.
»Ja, natürlich, du weißt es, Ormuz.«
»Warum hast du sie dann verlassen?«
»Wollte ich ja nicht. Ich war draußen – sie hatte einen netten kleinen Garten, aber ich war ein bisschen neugierig und bin eines Tages über den Zaun geklettert. War aufregend, und ein paar Mal ging es auch gut. Aber dann traf ich eine falsche Entscheidung. Ich geriet einem scharfen Hund vor die Nase. Der jagte mich. Ich über die Straße. Da stand ein Auto. Hatte ein Fenster offen. Ich bin rein und hab mich unter dem Sitz zusammengekauert. Ich bin ja ziemlich klein. Der Hund verpisste sich, aber in das Auto stieg ein Mann ein, und ich kam nicht mehr raus. Erst als er wieder anhielt. Und da wusste ich nicht mehr, wo ich war und wie ich zurückfinden konnte.«
»Schrecklich.«
SueSue kuschelte sich näher an ihn. Ja, es war schrecklich gewesen, so ganz alleine in
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