Weihnachtsmord auf Sandhamn ( 2 Kurzkrimis )
Zeit für die Rückfahrt wurde.
»Hast du Lasse gesehen?«, fragte Peter, als sie nach ihrer Jacke griff.
Sie schüttelte den Kopf. Die meisten Tische waren halb leer, anscheinend hatte eine ganze Reihe von Kollegen das Bedürfnis gehabt, nach dem üppigen Essen und dem Trinkgelage ein wenig frische Luft zu schnappen. Gun war auch noch nicht wieder zurück.
»Seit einer ganzen Weile nicht mehr, vielleicht einer Stunde.« Sie sah auf die Uhr und erhob sich. »Ich kann ja mal in den anderen Räumen nachsehen, bevor ich nach draußen gehe.«
Maria sah sich in dem schönen alten Gebäude um. Nach Angaben des Personals war das Gasthaus seit 1672 in Betrieb, und von den Wänden hallte der Flügelschlag der Geschichte wider.
Sie ging die halbe Treppe vom Speisesaal hinunter und sah ein Schild, auf dem stand, dass vor ihr der Dahlberg’sche Raum lag, einer der ursprünglichen Teile des alten Gasthauses. Sie schaute hinein auf die dunklen Balken, die die niedrige Decke trugen. Es war gepflegt und gemütlich, aber doch aus einer anderen Ära.
Maria schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie es hier vor mehreren Jahrhunderten ausgesehen haben mochte. Damals trafen sich hier die Lotsen, um sich einen Schnaps oder zwei zu genehmigen, ehe es Zeit war, den großen Segelschiffen den Weg nach Stockholm zu zeigen.
Längst vergangene Zeiten.
Direkt daneben lag die Herrentoilette, und kurz entschlossen öffnete sie die Tür einen Spalt und rief hinein:
»Lasse, bist du hier?«
Sie hörte ein Murmeln und wich einen Schritt zurück.
»Lasse«, rief sie noch einmal. »Bist du das? Ist alles in Ordnung?«
Langsam wurde die Kabinentür entriegelt und geöffnet. Lasse Konrad saß auf dem Klodeckel und sah sie schlaftrunken an. Seine Augen waren gerötet und seine Haare standen zu Berge.
»Hast du hier auf der Toilette geschlafen?«, rief Maria aus.
Ein dümmlicher Ausdruck glitt über sein Gesicht.
»Wie spät ist es?«
»Gleich Viertel nach vier. Das Schiff geht um fünf.«
Er erhob sich mühsam und versuchte, sein zerrauftes Haar zu glätten. Dann schnitt er eine verlegene Grimasse.
»Du brauchst ja keinem zu verraten, wie du mich hier vorgefunden hast.«
Sie schüttelte den Kopf und zog sich zurück. Peinlich, sich derart volllaufen zu lassen, dass man auf dem Klo einschlief, aber sie hatte nicht vor, es den Kollegen zu erzählen. Plötzlich verstand sie überhaupt nicht mehr, warum sie ihn noch vor wenigen Stunden attraktiv gefunden hatte.
»Ich sage nichts«, versprach sie und ging.
Es war herrlich, an die frische Luft zu kommen, obwohl sich die Dunkelheit inzwischen auf die Insel herabgesenkt hatte. Zum Glück hellte der Schnee die Umgebung ein klein wenig auf. Die wenigen Straßenlaternen gaben nicht viel Licht, und Maria bekam eine Ahnung davon, wie einsam es hier manchmal für die Inselbewohner sein musste.
Mit schnellen Schritten ging sie am Klubhaus des KSSS vorbei und einen steilen Hang hinauf. Er führte zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen herrlichen Blick aufs Meer hatte. Trotz der Dunkelheit war schräg gegenüber die Silhouette des Turms auf Korsö zu erkennen. Am Himmel funkelten ein paar vereinzelte Sterne, und am Horizont blinkte ein Leuchtfeuer. Es war deutlich kälter geworden, sicher zehn Grad unter null, aber Maria blieb dennoch eine ganze Weile stehen und genoss die Stille.
Ein fernes Tuten ließ sie zusammenzucken.
Sie warf rasch einen Blick auf ihre Armbanduhr und sah, dass die Fähre in wenigen Minuten ablegen würde. Du lieber Himmel! Im Laufschritt eilte sie zurück zum Hafen. Nur wenige Sekunden vor dem Ablegen stieg sie an Bord des weißen Fährschiffs.
Der Matrose an der Gangway warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Da haben Sie aber Glück gehabt«, sagte er, als sie an ihm vorbeilief. »Eine Minute später, und Sie hätten ans Festland schwimmen müssen.«
Maria sank auf den erstbesten Sitzplatz, und noch ehe sie wusste, wie ihr geschah, fielen ihr die Augen zu. Erst als sie in Stavsnäs anlegten, wachte sie auf, um gleich darauf im gecharterten Reisebus wieder einzuschlafen.
Als Maria am Montagmorgen in die Firma kam, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte.
Ihre Kollegen unterhielten sich mit gedämpften Stimmen, und in der Kaffeeküche standen zwei Fremde. Maria hatte ausnahmsweise verschlafen, deshalb war sie die Letzte, die an diesem Tag ins Büro kam.
Sie ging zu Peter, der mit dem Rücken zu ihr am Fenster stand, und berührte ihn leicht an der
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