Weihnachtszauber 01
zornig“, flüsterte Melicent, „und jetzt verstehe ich auch, warum.“
„Ich habe versucht, es dir gegenüber nicht allzu deutlich zu zeigen“, erklärte Alex.
„Ich wusste ja, dass du nichts dafür konntest.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber du hast recht – immer wenn ich dich gesehen habe, wenn ich dich berührt habe, habe ich so großen Zorn empfunden wegen der Erpressung. Es war wohl unvermeidlich, dass du es auch gespürt hast.“ Sein Griff wurde fester. „Ich habe dir sehr wehgetan. Es tut mir so furchtbar leid, Melicent.“
Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie würde nicht sagen, dass es nichts ausmache, denn es machte etwas aus. Es machte ihr sogar eine ganze Menge aus. Aber jetzt, wo sie erkannte, in welche unmögliche Lage er als junger Mann gebracht worden war, konnte sie seinen Zorn und seine Verzweiflung verstehen, und mit dem Verstehen kam das Verzeihen.
„Bist du noch zornig auf deinen Vater?“, fragte sie.
Alex schüttelte den Kopf. „Als er starb, ist mein Zorn mit ihm gestorben. Mir ist klar geworden, dass ich mich von dieser vollkommen sinnlosen Wut förmlich auffressen ließ.“ Er hob ihre Hand an die Lippen. „Nach seinem Tod wollte ich dich aufsuchen, Melicent – ich wollte dir alles erzählen und vorschlagen, dass wir noch einmal von vorn anfangen, aber du hattest mir gerade gesagt, dass du fortgehen wolltest, und ich dachte, es sei zu spät. Und aus Stolz und Elend habe ich dich gehen lassen.“
Melicent beugte sich vor und küsste ihn sanft. „Und ich bin damals weggegangen, weil ich unsere Entfremdung einfach nicht mehr ertragen konnte. Ich wusste beinahe vom ersten Moment an, dass es ein Fehler gewesen war, nach Peacock Oak zu kommen, aber das konnte ich aus Stolz nicht zugeben.“ Sie seufzte. „Wir waren beide ziemlich dumm, aber vielleicht ist es doch noch nicht zu spät. Ich würde sehr gern noch einmal von vorn anfangen.“
„Ich glaube“, erklärte Alex und grinste vielsagend, „das haben wir schon getan.“
„Wir haben die Sache aber falsch aufgezäumt“, wandte Melicent ein, bemüht, einen strengen Ton anzuschlagen. „Wir sollten uns besser kennenlernen, bevor ...“
Alex nahm sie in die Arme. „Bevor wir uns lieben?“
„Genau“, flüsterte Melicent, während sich ihre Lippen zum Kuss fanden.
4. KAPITEL
Heiligabend
Für Melicent war es eine wunderbare Erfahrung, ihren Ehemann besser kennenzulernen. Dieses Jahr übertraf Weihnachten ihre Erwartungen bei Weitem.
Zusammen hatten sie und Alex Stechpalmen und Mistelzweige gesammelt, um Peacock Oak zu schmücken. Sie waren im nahen Dorf Fortune’s Folly gewesen, um dort Brennstoff und Kerzen und einen Truthahn zu kaufen (was weitaus reizvoller war als das gepökelte Hammelfleisch, das Mrs. Lubbock als Festtagsbraten vorgesehen hatte), hatten lange Spaziergänge über das verschneite Land gemacht und waren zusammen zur Kirche gegangen, wo so laut über die Ankunft von Lady Melicents attraktivem Ehemann und seine offenkundige Hingabe getuschelt wurde, dass der Pfarrer kaum in der Lage war, seine Predigt zu halten. Sie hatten mit der Duchess of Cole und dem Major und Mrs. Falconer zu Abend gespeist und hatten sich dabei so prächtig amüsiert, dass Mrs. Durham wie durch ein Wunder genesen war und sich sogar zu einer Runde Scharaden hatte animieren lassen. Als Alex Melicents abgearbeitete Hände sah, hatte er ihr eine nach Rosen duftende Creme und ein Paar besonders weiche Glacéhandschuhe gekauft und angeboten, ihr im Haushalt zu helfen, was Melicent als Zeichen wahrer Ergebenheit wertete.
Alex hatte bereits an seinen Verwalter geschrieben, um Mrs. Durhams Umzug nach Bath zu arrangieren und dafür zu sorgen, dass für sie eine Gesellschafterin angestellt wurde. Bleibt nur noch Aloysius, dachte Melicent, als sie an Heiligabend das Feuer im Salon schürte. Sie fragte sich, was sie mit ihm anstellen sollten. Er hatte keine besonderen Begabungen, höchstens ein Talent zur Geldverschwendung, er eignete sich nicht zum Studium und war zu faul, um zur Armee zu gehen. Sie trat zum Schreibtisch, um die Kerzen dort anzuzünden, und erinnerte sich mit leisem Lächeln daran, wie Alex ihren Bruder an seinem ersten Morgen hier in Peacock Oak aus dem Bett gescheucht hatte – mit einer Kanne heißen Wassers und den Worten: „Wie ich höre, bist du zu faul, deiner Schwester im Haushalt zu helfen, Durham. Nun, wenn du dein Schlafzimmer weiterhin geheizt haben möchtest, musst du das Feuer selbst
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