Weil deine Augen ihn nicht sehen
sich nähernden Autos an, dass sich die letzte Phase des gesamten Unternehmens ihrem Ende näherte.
35
»ES DAUERT LANGE, bis man eine Million Dollar gezählt hat«, sagte Walter Carlson in der Hoffnung, dass sein Argument überzeugend klingen würde.
»Die Geldübergabe fand kurz nach zehn statt«, entgegnete Steve. »Das war vor fünf Stunden.« Er blickte nach unten, doch Margaret hielt die Augen geschlossen.
Sie lag zusammengerollt auf der Couch, den Kopf in seinem Schoß. Von Zeit zu Zeit atmete sie gleichmäßiger, und er dachte, dass sie eingeschlummert war. Doch jedesmal fuhr sie im nächsten Moment zusammen, atmete tief und riss die Augen weit auf.
Dr. Harris saß aufrecht im Ohrensessel, ihre Hände ruhten fest zusammengefaltet in ihrem Schoß. Weder in ihrer Haltung noch in ihrem Gesicht waren die geringsten Anzeichen von Müdigkeit zu erkennen. Carlson war der Gedanke gekommen, dass sie sich immer so geben musste, wenn sie bei einem hoffnungslos kranken Patienten saß. Eine gefasste und beruhigende Präsenz, dachte er. Genau das, was man brauchte.
Entgegen seinen Versuchen, zuversichtlich zu klingen, wusste er nur zu genau, wie sehr sich die Wahrscheinlichkeit mit jeder Minute verringerte, dass die Entführer sich noch melden würden. Kater Karlo hat mir gesagt, wir würden irgendwann nach Mitternacht die Nachricht erhalten, wo wir
die Zwillinge finden könnten. Steve hat Recht. Seit Stunden haben sie jetzt das Geld. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zwillinge bereits tot sind.
Franklin Bailey hat ihre Stimmen am Dienstag gehört, dachte er. Das bedeutet, dass sie vor eineinhalb Tagen noch am Leben waren, weil sie gesagt haben, sie hätten ihre Eltern im Fernsehen gesehen. Das heißt, falls wir Baileys Geschichte Glauben schenken.
Während die Stunden verronnen waren, hatte sich ein unbestimmtes Gefühl Carlsons bemächtigt, eine dieser intuitiven Ahnungen, die ihm in seiner zwanzigjährigen Tätigkeit beim FBI schon manches Mal zustatten gekommen waren. Etwas sagte ihm, dass er diesen Lucas Wohl etwas genauer unter die Lupe nehmen sollte, jenen allgegenwärtigen Mietchauffeur, der passenderweise genau an der Stelle geparkt hatte, von wo er beobachten konnte, wie die Entführer das Geld zu ihrem Auto gebracht hatten, und der dann eine genaue Beschreibung des Fahrzeugs, mit dem sie angeblich weggefahren waren, liefern konnte.
Carlson räumte ein, dass es vielleicht genau so abgelaufen war, wie Bailey behauptet hatte, dass er während der Irrfahrt mit dem Excel-Wagen einen Anruf von Kater Karlo erhalten und dieser ihm aufgetragen hatte, er solle Lucas an diesen Ort beordern, und dass er diese Anweisung an seinen Mietchauffeur weitergegeben habe. Doch mittlerweile ließ ihn das nagende Gefühl nicht mehr los, dass Bailey sie vielleicht alle zum Narren gehalten hatte.
Angus Sommers, der den New Yorker FBI-Einsatz geleitet hatte, war mit Bailey zurückgefahren, und er war überzeugt, dass dieser und der Fahrer die Wahrheit gesagt hatten. Dennoch beschloss Carlson, Connor Ryan anzurufen, der leitender Special Agent in New Haven und sein unmittelbarer Vorgesetzter war. Ryan saß jetzt in seinem Büro, zusammen mit den anderen Jungs, bereit, sich sofort in Bewegung zu setzen, wenn die Nachricht käme, dass die
Zwillinge im nördlichen Teil von Connecticut ausgesetzt worden seien. Er könnte sofort mit der Überprüfung von Lucas Wohl anfangen.
Margaret hob den Kopf und setzte sich langsam auf. Sie strich sich die Haare mit einer so müden Handbewegung aus dem Gesicht, dass Carlson den Eindruck hatte, allein den Arm zu heben koste sie schon unendliche Mühe. »Als Sie mit dem Kidnapper gesprochen haben, hat er da nicht gesagt, er würde gegen Mitternacht anrufen?«, fragte sie.
Carlson blieb nichts anderes übrig, als wahrheitsgemäß zu antworten: »Ja, das hat er gesagt.«
36
CLINT WUSSTE, dass sie bereits in der Nähe des La Cantina sein mussten, und hatte Angst, es zu verpassen. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er die rechte Straßenseite ab. Er hatte den Streifenwagen gesehen und sich sofort zurückfallen lassen, um die Bullen nicht auf den Gedanken zu bringen, dass er hinter Lucas herfahre. Jetzt war von Lucas nichts mehr zu sehen.
Angie saß neben ihm und wiegte das kranke Kind im Arm. Seit sie im Transporter Platz genommen hatte, sang sie ununterbrochen das Lied voden beiden kleinen Mädchen in ihren blauen Kleidchen. »D och … das Schicksal … hat … uns … getrennt«
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