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Weil deine Augen ihn nicht sehen

Weil deine Augen ihn nicht sehen

Titel: Weil deine Augen ihn nicht sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Neun-Uhr-Messe.«
    »Sagt man nicht ›Engelmesse‹ dazu, wenn es für ein kleines Kind ist?«
    »Das ist ein Laienausdruck, der irgendwann in Gebrauch gekommen ist. Ich werde ein paar passende Stellen für die Lesung auswählen.«
    »Schatz, lass uns einen Termin für nach der Neun-Uhr-Messe vereinbaren«, schlug Steve vor. »Es könnte nicht schaden, wenn wir beide eine Schlaftablette nehmen heute Abend.«
    »Schlafen und nicht träumen«, sagte Margaret mehr zu sich selbst als zu den anderen.
    Monsignore Romney erhob sich und trat zu ihr. Er legte ihr die Hand auf den Kopf und segnete sie, dann wandte er sich Steve zu und segnete ihn ebenfalls. »Morgen um zehn Uhr«, sagte er. Als er in ihre von Trauer gezeichneten Gesichter blickte, gerieten ihm die Worte aus dem »De Profundis« in den Sinn: Aus der Tiefe ruf ich, Herr, zu Dir: Herr, höre meine Stimme! Wende Dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen .

47
    NORMAN BOND WAR nicht sonderlich überrascht, als am Freitagmorgen zwei FBI-Agenten in seinem Büro auftauchten. Natürlich hatte man ihnen erzählt, dass drei gut qualifizierte Mitarbeiter von C.F.G.&Y. übergangen worden waren, als er Steve Frawley eingestellt hatte. Auch nahm er an, dass sie zu dem Schluss gekommen waren, nur jemand, der sich mit den Gepflogenheiten in den höheren Finanzkreisen gut auskannte, habe wissen können, dass bestimmte Banken in Übersee bereit waren, gegen Provision illegal erworbene Gelder anzunehmen und weiterzuleiten.
    Bevor er seiner Sekretärin auftrug, die Agenten hereinzubitten, ging er schnell in sein privates Bad und betrachtete sich in dem mannshohen Spiegel, der an der Rückseite der Tür hing. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er den Job bei C.F.G.&Y. bekommen, und von seinem ersten Gehalt hatte er sich eine teure Laserbehandlung geleistet, um die Narben zu beseitigen, die Hinterlassenschaft einer bösen Akne, die ihn seine gesamten Jugendjahre hindurch gequält hatte. In seinem Kopf waren die Narben immer noch da, genauso wie die Brille mit den dicken Gläsern, die er tragen musste, um sein schielendes Auge zu kurieren. Jetzt waren es Kontaktlinsen, die seinen hellblauen Augen zu besserer Sehkraft verhalfen. Er konnte sich seiner immer noch dicht wachsenden Haare erfreuen, fragte sich jedoch, ob er sie sich nicht besser
hätte tönen lassen. Die Tendenz zum vorzeitigen Ergrauen hatte er von der mütterlichen Seite geerbt, doch mit seinen achtundvierzig Jahren war er nicht mehr grau meliert, sondern fast schon schlohweiß.
    Konservative Anzüge aus dem Hause Paul Stuart waren an die Stelle der von älteren Geschwistern abgelegten Kleider seiner Kindheit getreten, doch ein Blick in den Spiegel war notwendig, um sicherzustellen, dass sich nicht der geringste Fleck auf seinem Kragen oder Schlips eingeschlichen hatte. Nie würde er jenen Vorfall vergessen, als er noch relativ frisch bei C.F.G.&Y. war und bei einem offiziellen Essen, in Anwesenheit des Vorstandsvorsitzenden, eine normale Gabel benutzt hatte, um eine Auster aufzuspießen. Sie war von den Zinken abgerutscht, wobei sich die Cocktailsoße über sein Jackett verteilt hatte. Noch am selben Tag hatte er ein Buch über Benimmregeln bei Tisch sowie einen kompletten Satz Geschirr und Besteck gekauft und hatte danach tagelang geübt, wie man einen Tisch in aller Form deckt und wie man Gabel, Messer oder Löffel richtig verwendet.
    An diesem Morgen zeigte ihm der Blick in den Spiegel, dass er rundherum gut aussah. Recht ansprechende Gesichtszüge. Guter Haarschnitt. Blütenweißes Hemd. Blaue Krawatte. Kein Schmuck. Blitzartig tauchte das Bild aus der Erinnerung auf, als er seinen Ehering auf die Schienen geworfen hatte, direkt vor einen herannahenden Zug. Nach all den Jahren war er immer noch nicht sicher, ob Wut oder Traurigkeit der Auslöser für sein Verhalten gewesen war. Es spielte jetzt keine Rolle mehr, sagte er sich.
    Er ging zurück an seinen Schreibtisch und teilte seiner Sekretärin mit, sie könne die FBI-Agenten jetzt hereinlassen. Den einen, Angus Sommers, hatte er bereits am Mittwoch kennen gelernt. Der zweite Agent entpuppte sich als eine schlanke Frau, etwa dreißig Jahre alt. Sommers stellte sie ihm als Agent Ruthanne Scaturro vor. Er wusste, dass noch mehr Agenten im Gebäude herumliefen und Fragen stellten.

    Norman Bond begrüßte die Besucher mit einem kurzen Kopfnicken. Als Zeichen der Höflichkeit deutete er ein kurzes Aufstehen an, setzte sich jedoch rasch wieder und blickte sie mit

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