Weil deine Augen ihn nicht sehen
stimmt.« Bonds Blick wurde ausdruckslos.
»Sie haben Ihre Frau sehr geliebt, aber sie hat Sie kurz danach verlassen, nicht wahr?«
»Sie ist nach Kalifornien gezogen. Sie wollte ganz von vorne anfangen. Trauer kann Menschen genauso zusammenschweißen wie sie sie auseinander bringen kann, Mr. Sommers.«
»Als sie Sie verlassen hat, hatten Sie so etwas wie einen Zusammenbruch, nicht wahr, Mr. Bond?«
»Trauer kann auch zu Depressionen führen, Mr. Sommers. Mir war klar, dass ich Hilfe benötigte, deshalb bin ich in eine Klinik gegangen. Heute sind Trauergruppen etwas Gewöhnliches. Vor zwanzig Jahren gab es so etwas noch nicht.«
»Hatten Sie weiter Kontakt zu Ihrer ehemaligen Gattin?«
»Sie hat ziemlich bald wieder geheiratet. Für uns beide war es besser, dieses Kapitel in unserem Leben abzuschließen.«
»Doch unglücklicherweise ist das Kapitel immer noch nicht abgeschlossen, nicht wahr? Ihre frühere Frau ist einige Jahre, nachdem sie zum zweiten Mal geheiratet hat, spurlos verschwunden.«
»Das ist mir bekannt.«
»Hat man Ihnen Fragen gestellt wegen ihres Verschwindens?«
»Wie ihre Eltern, Verwandten und Freunde wurde auch ich gefragt, ob ich wüsste, wohin sie gegangen sein könnte. Natürlich wusste ich das nicht. Ich habe mich dann an der Belohnung beteiligt, die ausgesetzt wurde für Informationen, die zu ihrem Auffinden führen würden.«
»Diese Belohnung musste bisher nicht ausbezahlt werden, nicht wahr, Mr. Bond?«
»Nein.«
»Mr. Bond, als Sie Steve Frawley kennen gelernt haben, haben Sie da nicht etwas von sich selbst in ihm gesehen: einen jungen, intelligenten und ehrgeizigen Mann mit einer attraktiven, intelligenten Frau und wunderschönen Kindern?«
»Mr. Sommers, Ihre Art der Befragung wird immer absurder. Wenn ich Sie richtig verstanden habe – und ich vermute, dass dem so ist –, dann wollen Sie andeuten, dass ich etwas zu tun haben könnte mit dem Verschwinden meiner verstorbenen Gattin sowie mit der Entführung der Frawley-Zwillinge. Wie können Sie es wagen, mich so zu beleidigen? Verlassen Sie mein Büro.«
»Ihrer verstorbenen Gattin, Mr. Bond? Woher wollen Sie wissen, dass sie tot ist?«
48
»ICH WAR SCHON IMMER ein vorausschauender Mensch, mein Schätzchen«, sagte Angie mehr zu sich selbst als zu Kathy, die in dem Motelzimmer auf dem Bett lag, unter dem Kopf zwei Kissen und warm zugedeckt. »Ich denke immer daran, was alles passieren könnte. Das ist der Unterschied zwischen mir und Clint.«
Es war Freitagmorgen, zehn Uhr, und Angie war rundum mit sich zufrieden. Am Abend zuvor, eine Stunde, nachdem Clint und Gus zur Kneipe gefahren waren, hatte sie den Transporter fertig gepackt und war mit Kathy aufgebrochen. Sie hatte das Lösegeld in einen Koffer umgefüllt und hastig ein paar Kleider zusammengepackt sowie die beiden Prepaid-Handys, die Kater Karlo Lucas und Clint geschickt hatte.
Als sie das letzte Mal zwischen Wagen und Haus hin und her gelaufen war, hatte sie noch daran gedacht, die Tonbandkassetten mitzunehmen, auf denen Lucas Kater Karlos Anrufe aufgezeichnet hatte, außerdem einen Führerschein, den sie im vergangenen Jahr einer Frau gestohlen hatte, deren Kind sie gehütet hatte.
Dann war sie doch noch auf den Gedanken gekommen, eine Nachricht für Clint auf einen Zettel zu kritzeln. »Mach dir keine Sorgen. Ich ruf dich morgen früh an. Ich musste weg zum Babysitten.«
Sie fuhr in dreieinhalb Stunden direkt nach Cape Cod zum Hyannis Motel, wo sie vor Jahren schon einmal übernachtet hatte, als sie mit einem Typen auf ein Wochenende hergekommen war. Das Cape hatte ihr so gut gefallen, dass sie sich für einen Sommerjob im Jachthafen von Harwich beworben hatte.
»Ich hatte immer einen Fluchtplan im Kopf für den Fall, dass sie Clint erwischen, wenn er mit Lucas irgendein Ding dreht«, erzählte sie Kathy mit einem Kichern. Doch dann, als sie sah, dass Kathy wieder einschlummerte, verzog sie das Gesicht, lief zum Bett und klopfte ihr auf die Schulter. »Hör mir zu, wenn ich mit dir rede. Da kannst du noch was lernen.«
Kathy hielt die Augen geschlossen.
»Vielleicht hab ich dir zu viel von dem Hustensaft gegeben«, überlegte Angie. »Wenn Clint schläfrig davon wurde, als er ihn letztes Jahr genommen hat, dann ist es gut möglich, dass dich dieses Zeug richtig umhaut.«
Sie ging zur Theke, wo noch ein bisschen von dem Kaffee in der Kanne übrig war, den sie sich in der Früh gekocht hatte. Ich hab Hunger, dachte sie. Ich könnte ein
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