Weil deine Augen ihn nicht sehen
Familienbegräbnis in Wisconsin. Sie kommen morgen wieder. Der Kleine ist süß, aber ich könnte ein bisschen Schlaf ganz gut gebrauchen.« Unter der Decke hielt sie Kathy fest, so dass sie den Kopf nicht drehen konnte und Gus ihr Gesicht nicht zu sehen bekam.
»Bis später, Angie«, sagte Clint und drängte Gus zur Haustür.
Angie sah, dass Gus’ Kleinlaster vor dem Haus stand. Das bedeutet, dass er durch die Diensteinfahrt gekommen ist und den Code kennt. Und das bedeutet wiederum, dass er jederzeit, wenn ihm danach ist, hier vorbeischauen kann. »Bis später, amüsiert euch gut«, sagte sie, bevor die Haustür hinter ihnen ins Schloss fiel.
Sie blickte dem Wagen durch das Fenster nach, bis er hinter einer Kurve verschwand. Dann strich sie Kathy über den Kopf. »Mein kleiner Liebling, ich glaube, wir beide werden uns jetzt sofort mit dem Geld auf die Socken machen«, sagte sie. »Daddy Clint hat ausnahmsweise mal Recht gehabt. In diesem Haus sind wir nicht mehr sicher.«
46
UM SIEBEN UHR KLINGELTE Monsignore Romney an der Haustür der Frawleys. Steve und Margaret öffneten gemeinsam. »Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Monsignore«, sagte Margaret.
»Ich bin froh, dass Sie mich gebeten haben zu kommen, Margaret.« Er folgte ihnen ins Arbeitszimmer. Sie setzten sich auf das Sofa, nah beieinander. Er wählte den Sessel, der am nächsten stand. »Wie geht es Kelly?«, fragte er.
»Dr. Harris hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, daher hat sie fast den ganzen Tag geschlafen«, antwortete Steve. »Sie ist jetzt bei ihr.«
»Wenn Kelly wach ist, versucht sie, mit Kathy zu reden«, erzählte Margaret. »Sie will nicht akzeptieren, dass Kathy nie mehr nach Hause kommen wird. Ich kann das ebenso wenig.«
»Es gibt keine größere Trauer als die Trauer um den Verlust eines Kindes«, sagte Monsignore Romney leise. »Bei der Heiratszeremonie beten wir, dass das Paar so lange leben wird, dass es die Kinder seiner Kinder noch erleben kann. Gleichgültig, ob es sich um ein neugeborenes Baby, um ein kleines Kind, um einen jungen Erwachsenen oder, bei älteren Eltern, um ein Kind handelt, das selbst schon erwachsen ist, es gibt keinen Schmerz, der sich damit vergleichen ließe.«
»Mein Problem ist«, sagte Margaret bedächtig, »dass ich nicht glauben kann, dass Kathy wirklich tot ist. Ich will nicht wahrhaben, dass sie nicht jeden Moment in dieses Zimmer kommen kann, einen Schritt hinter Kelly. Kelly ist die Anführerin der beiden, der Boss, Kathy ist etwas zurückhaltender, etwas schüchtern.«
Sie sah Steve an, dann Monsignore Romney. »Ich habe mir einmal beim Schlittschuhlaufen das Fußgelenk gebrochen, als ich fünfzehn war. Es war ein richtig übler Bruch, und ich musste operiert werden. Ich erinnere mich noch, als ich aufwachte, spürte ich nur einen dumpfen Schmerz, und ich dachte, alles sei nur halb so wild gewesen und ich würde mich schnell von der Operation erholen. Doch wenige Stunden später ließ die Wirkung der Betäubung nach, und ich bin fast umgekommen vor Schmerzen. Ich glaube, so ähnlich wird es mir auch jetzt gehen. Im Augenblick wirkt die Betäubung noch.«
Monsignore Romney wartete ab. Er hatte das Gefühl, dass Margaret ihn um etwas bitten wollte. Sie sieht so jung, so verletzlich aus, dachte er. Die Zuversicht ausstrahlende Mutter, die ihm lächelnd erzählt hatte, dass sie ihre Karriere als Anwältin vorerst zurückgestellt habe, um mehr von ihren Zwillingen zu haben, war nur noch ein Schatten ihrer selbst; die dunkelblauen Augen blickten gequält, das Gesicht war bleich und vom Schmerz gezeichnet. Steve saß neben ihr, die Haare wirr, die Augen vor Erschöpfung rot gerändert, und schüttelte dazu den Kopf, als ob er nicht akzeptieren könne, was geschehen war.
»Mir ist klar, dass wir in irgendeiner Form einen Gottesdienst planen müssen, zu dem die Leute kommen können«, sagte Margaret. »Meine Mutter und meine Schwester treffen nächste Woche ein. Steves Vater kümmert sich um eine Pflegehilfe für seine Frau, damit er auch herkommen kann. Alle unsere Freunde haben uns E-Mails geschickt und möchten uns besuchen. Aber bevor wir einen Termin für eine Messe
festlegen, wollte ich Sie bitten, ob Sie morgen früh eine Messe für Kathy lesen könnten, bei der nur Steve, Kelly, Dr. Harris und ich anwesend sein werden. Wäre das möglich?«
»Natürlich ist das möglich. Ich kann das morgen früh einrichten, entweder vor der Sieben-Uhr-Messe oder nach der
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