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Weil deine Augen ihn nicht sehen

Weil deine Augen ihn nicht sehen

Titel: Weil deine Augen ihn nicht sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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ihm erzählen, dass ich hier mit einer Million Dollar im Koffer herumkutschiere. Der würde ganz schön dumm aus der Wäsche gucken, meinst du nicht?«
    Kathy spürte, dass die Straße eine Kurve machte.
    »Die Main Street von Hyannis«, sagte Angie. »Noch nicht so viel los, aber in ein paar Wochen wird das hier ganz anders aussehen. Bis dahin werden wir in Hawaii sein. Dort ist es bestimmt viel sicherer als in Florida.«
    Sie fuhren weiter. Angie fing an, ein Lied über Cape Cod zu singen. Sie kannte nur Bruchstücke des Textes, daher summte sie die Melodie, und dazwischen grölte sie: »Im guten, alten Cape Cod.« Sie sang diese Zeile immer wieder und wieder. Nach einer Weile blieb der Wagen stehen, und
Angie dröhnte ein letztes Mal: »Hier im guten, alten Cape Cod.« Dann sagte sie befriedigt: »Mensch, kann ich laut singen, wenn ich in Laune bin!«, worauf sie sich über die Rückenlehne beugte und mit einem bösen Ausdruck im Gesicht hinunterblickte. »Okay, wir sind da«, sagte sie. »Jetzt hör zu: Trau dich ja nicht, aufzustehen, hast du verstanden? Ich werd dir die Decke über den Kopf ziehen, damit man dich nicht sieht, falls jemand zufällig einen Blick ins Auto wirft. Wenn ich zurückkomme und merke, dass du dich nur einen Zentimeter bewegt hast, dann weißt du ja, was passieren wird, nicht wahr?«
    Kathy schossen die Tränen in die Augen. Sie nickte.
    »Gut. Dann haben wir uns ja wohl verstanden. Ich werde bald wieder da sein, und dann gehen wir zu McDonald’s oder zu Burger King. Du und ich, nur wir beide. Mommy und Stevie.«
    Kathy merkte, wie die Decke über ihren Kopf gezogen wurde, aber es machte ihr nichts aus. Es war gut, im Dunkeln und Warmen zu liegen. Sie war sowieso schläfrig, und es war gut, zu schlafen. Aber die Decke war plüschig und kitzelte sie an der Nase. Sie wusste, dass sie gleich wieder husten müsste, doch sie schaffte es, nicht zu husten, bis Angie ausgestiegen war und die Tür geschlossen und verriegelt hatte.
    Nun ließ sie ihren Tränen freien Lauf und redete mit Kelly. »Ich will nicht im alten Cape Cod sein. Ich will nicht im alten Cape Cod sein. Ich will nach Hause .«

55
    »DA IST ER«, FLÜSTERTE FBI-Agent Sean Walsh seinem Kollegen Damon Philburn zu. Es war Samstagmorgen, halb zehn. Er deutete auf die schmale Gestalt eines Mannes in einem Sweatshirt mit Kapuze, der seinen Wagen in der Nähe einer Wohnanlage in Clifton, New Jersey, geparkt hatte und jetzt auf dem Weg zur Haustür war. Der Wagen, in dem die beiden Agenten gewartet hatten, stand an der gegenüberliegenden Seite der Straße. In einer raschen, aufeinander abgestimmten Bewegung stiegen sie aus und tauchten zu beiden Seiten des Mannes auf, bevor der überhaupt den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte.
    Steve Frawleys Halbbruder Richard Mason schien nicht sonderlich überrascht zu sein, die beiden zu sehen. »Kommen Sie rein«, sagte er. »Aber Sie verschwenden Ihre Zeit. Mit der Entführung der Mädchen habe ich absolut nichts zu tun. Ich weiß ja, wie ihr arbeitet. Bestimmt war das Telefon meiner Mutter angezapft, als sie mich angerufen und mir mitgeteilt hat, dass ihr nach mir sucht.«
    Keiner der beiden Agenten hielt es für nötig, darauf zu antworten. Mason schaltete das Licht im Eingangsflur ein und ging voraus ins Wohnzimmer. Auf Walsh machte es den Eindruck eines Hotelzimmers: eine Couch in einem braunen Tweed-Muster, zwei gestreifte braune Sessel, zwei Beistelltischchen mit identischen Lampen, ein Couchtisch, beigefarbener
Teppichboden. Sie hatten herausgefunden, dass Mason in den letzten zehn Monaten hier gewohnt hatte, aber nichts in diesem Raum deutete darauf hin, dass dies sein Zuhause war. Die eingebauten Bücherregale enthielten kein einziges Buch. Es gab keine Familienfotos oder persönlichen Gegenstände, von denen man auf ein Hobby oder irgendeine Freizeitaktivität hätte schließen können. Mason setzte sich in einen der Sessel, schlug die Beine übereinander, holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, zündete sich eine an, warf einen Blick auf den Tisch neben dem Sessel und schnitt eine Grimasse. »Hab alle Aschenbecher weggeschmissen, damit ich nicht in Versuchung gerate zu rauchen.« Er zuckte die Achseln, stand auf, verschwand in der Küche, kam mit einer Untertasse zurück und setzte sich wieder in den Sessel.
    Er will uns vorführen, wie cool er ist, dachte Walsh. Na, das Spielchen kennen wir. Er wechselte einen kurzen Blick mit Philburn und wusste, dass dieser genauso

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