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Weil deine Augen ihn nicht sehen

Weil deine Augen ihn nicht sehen

Titel: Weil deine Augen ihn nicht sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sagte sie kategorisch. »Sie wird morgen früh ab zehn Uhr wieder hier sein. Dann können Sie sie sprechen.« Und damit drehte sie Margaret den Rücken zu.
    Margaret hielt Howell am Arm zurück, als sie weggehen wollte. »Sie verstehen nicht«, sagte sie mit erhobener und flehender Stimme. »Meine kleine Tochter ist verschwunden. Ich weiß, dass sie lebt. Ich muss sie finden. Ich muss zu ihr, bevor es zu spät ist.«
    Die in der Nähe stehenden Kundinnen wurden auf sie aufmerksam. Mach keine Szene, ermahnte sie sich. Sonst halten sie dich für verrückt. »Es tut mir leid«, stammelte sie und ließ Howells Ärmel los. »Um welche Uhrzeit, sagten Sie, kommt Lila morgen früh?«
    »Um zehn Uhr.« Joan Howells Miene war jetzt voller Mitgefühl. »Sie sind Mrs. Frawley, nicht wahr? Lila hat mir erzählt, dass Sie die Geburtstagskleider für Ihre Zwillinge bei
uns gekauft haben. Es tut mir ja so furchtbar Leid wegen Kathy. Und entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht gleich erkannt habe. Ich werde Ihnen Lilas Handynummer geben, aber sehr wahrscheinlich hat sie es nicht ins Theater mitgenommen oder aber ausgeschaltet. Bitte kommen Sie in mein Büro.«
    Margaret hörte im Hintergrund die Kundinnen flüstern, die ihren Ausbruch mitbekommen hatten. »Das ist Margaret Frawley. Das ist die Frau, deren Zwillinge …«
    Urplötzlich überkam Margaret eine Welle von heftigem Schmerz. Sie drehte sich um und rannte hinaus. Als sie wieder hinter dem Steuer saß, ließ sie den Motor an und brauste davon. Sie fuhr aufs Geratewohl, ohne zu wissen, welche Richtung sie einschlug. Später erinnerte sie sich, dass sie auf der I-95 North gefahren war, bis zur Höhe von Providence, Rhode Island. Dort, beim ersten Schild nach Cape Cod, hielt sie an, um zu tanken, und merkte erst jetzt, wie weit sie gefahren war. Sie kehrte um auf die I-95 South und fuhr weiter, bis das erste Schild Richtung Route 7 auftauchte. Sie folgte den Schildern, weil sie das Gefühl hatte, sie müsse unbedingt den Flugplatz von Danbury finden. Als sie ihn schließlich erreichte, parkte sie das Auto in der Nähe des Eingangs.
    Er hat ihre Leiche in einen Karton gelegt, dachte sie. Das war ihr Sarg. Er hat sie in das Flugzeug gebracht und ist aufs Meer hinausgeflogen. Dort hat er die Tür oder das Fenster geöffnet und den toten Körper meines wundervollen kleinen Mädchens in den Ozean hinunterfallen lassen. Es muss ein langer Fall gewesen sein. Ist der Karton beim Aufprall auseinander gebrochen? Ist Kathy hinausgeglitten ins Wasser? Das Wasser ist jetzt so kalt.
    Denk nicht daran, mahnte sie sich. Denk daran, wie sehr sie es liebte, in die Wellen zu tauchen.
    Ich muss Steve überreden, dass wir uns ein Boot mieten. Wenn wir aufs Meer hinausfahren, und ich werfe ein paar Blumen ins Wasser, vielleicht werde ich dann wirklich Abschied von ihr nehmen können. Vielleicht …

    Ein Lichtstrahl drang plötzlich durch die Windschutzscheibe, und Margaret blickte auf.
    »Mrs. Frawley.« Die Stimme des Streifenbeamten klang freundlich.
    »Ja.«
    »Wir würden Sie gerne nach Hause begleiten, Ma’am. Ihr Mann macht sich schreckliche Sorgen um Sie.«
    »Ich habe nur etwas besorgt.«
    »Ma’am, es ist elf Uhr abends. Sie haben den Laden um vier Uhr verlassen.«
    »Wirklich? Ich glaube, das kommt daher, dass ich aufgehört habe zu hoffen.«
    »Ja, Ma’am. Und jetzt möchte ich Sie bitte nach Hause fahren.«

53
    AM SPÄTEN FREITAGNACHMITTAG fuhren Angus Sommers und Ruthanne Scaturro direkt von Amy Lindcroft zum Büro von C.F.G.&Y. an der Park Avenue und baten um ein sofortiges Gespräch mit Gregg Stanford. Nachdem sie eine volle halbe Stunde warten mussten, wurden sie schließlich in sein Büro vorgelassen, dessen Einrichtung seine Vorliebe für das Vornehme und Erlesene widerspiegelte.
    Schon der Schreibtisch war ziemlich ungewöhnlich, ein antikes Stück. Sommers, der sich mit alten Möbeln recht gut auskannte, sah sofort, dass er aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert stammte und vermutlich ein kleines Vermögen wert war. Anstelle von Bücherregalen prangte an der linken Wand ein Schreibschrank aus dem achtzehnten Jahrhundert, warm angestrahlt von der Abendsonne, die durch das auf die Park Avenue hinausgehende Fenster drang. Anstelle des üblichen Bürosessels hatte sich Stanford für einen aufwändig gepolsterten antiken Lehnsessel entschieden. Im Gegensatz dazu bestanden die Sitzgelegenheiten vor seinem Schreibtisch aus kleineren, mit einem schlichten Stoff bezogenen Sesseln,

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