Weil Du an die Liebe glaubst
sie Witwe war und erhebliche finanzielle Probleme hatte, war es möglich, ja, sogar wahrscheinlich, daß er die beste Hilfe, die er ihr geben könnte, darin sah, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Dieser Gedanke löste ein sehr sonderbares Gefühl in ihr aus.
Aber Michael würde die Art von Ehe, die sie mit Colin geführt hatte, nie akzeptieren. Kein normaler Mann würde das. Und ebensowenig konnte sie ihre entsetzliche Schwäche preisgeben.
Der bloße Gedanke daran führte dazu, daß ihr Magen sich verkrampfte. Es würde am einfachsten und am sichersten sein, ihn in dem Glauben zu lassen, daß Colin noch lebte.
Der Weg nach Mayfair war lang. Wenn sie dort schließlich ankommen würde, konnte sie ihre Lügen sorgfältig vorbereitet haben.
Michael Kenyon kam nach einem Tag voller schrecklicher Überraschungen in das Strathmore House, wo der Butler ihm eine Karte reichte.
»Eine Lady wartet darauf, mit Ihnen zu sprechen, My Lord.«
Michaels spontane Antwort war nicht druckreif.
Dann warf er einen Blick auf die Karte. Mrs. Colin Melbourne. Mein Gott, Catherine. Das hatte gerade noch gefehlt. Und doch machte ihn der Gedanke, daß sie hier, unter seinem Dach war, so ungeduldig, daß er sich kaum die Zeit nahm, danach zu fragen, wo sie wartete. Sobald der Butler geantwortet hatte, schritt Michael zu dem kleinen Salon und riß die Tür auf. »Catherine?«
Sie hatte aus dem Fenster geschaut, drehte sich aber um, als er eintrat. Die einfache Frisur ihres dunklen Haares und ihr schlichtes graues Kleid betonten ihre Schönheit nur.
Als sie voneinander gegangen waren, hatte er stumm darum gebetet, daß sie sich nie wieder begegnen würden. Im vergangenen Jahr hatte er beträchtliche Zeit und Energie damit verwendet, sie zu vergessen. Jetzt aber, wo sie hier war, kümmerte es ihn überhaupt nicht, wieviel ihn das später kosten würde. Sie zu sehen war wie ein frischer Luftzug in einem Bergwerksstollen.
Unsicher sagte sie: »Es tut mir leid, wenn ich Sie störe, Lord Michael.«
Er hielt kurz inne, um sich zu sammeln, durchquerte dann den Raum. »Seit wann sind wir so förmlich miteinander, Catherine?« sagte er gelassen. »Es tut gut, Sie zu sehen. Sie sind so schön wie immer.«
Er nahm ihre Hände, und einen gefährlichen Augenblick lang befürchtete er, etwas Unverzeihliches zutun. Der Augenblick verflog, und er gab ihr einen leichten Kuß auf die Wange.
Es war der Kuß eines Freundes.
Er ließ ihre Hände los und ging auf sicheren Abstand zu ihr. »Wie geht es Amy?« Er zwang sich bewußt, hinzuzufügen, »Und Colin?«
Catherine lächelte. »Amy geht es wunderbar. Sie würden Sie kaum wiedererkennen. Ich schwöre, daß sie seit dem letzten Frühjahr bestimmt acht Zentimeter gewachsen ist. Colin – «, sie zögerte kurz, »- ist noch in Frankreich.«
Ihr Tonfall war neutral, wie immer, wenn sie von ihrem Mann sprach. Michael bewunderte ihre ruhige Würde. »Ich vergesse ganz meine guten Manieren«, sagte er. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Ich werde nach Tee läuten.«
Sie blickte auf ihre gefalteten Hände. Ihr Profil hatte die süße Klarheit einer Heiligen der Renaissance. »Ich sollte besser zuerst mein Anliegen vortragen. Ich brauche eine etwas ungewöhnliche Hilfe. Sie – Sie werden mich wahrscheinlich hinauswerfen wollen, wenn Sie hören, was es ist.«
»Niemals«, sagte er ruhig. »Ich verdanke Ihnen mein Leben, Catherine. Sie können alles von mir verlangen.«
»Sie gewähren mir mehr Ehre, als ich verdiene.«
Sie blickte auf, und ihre erstaunlichen aquamarinblauen Augen brannten in dem Rahmen ihrer dunklen Wimpern. »Ich fürchte, daß… daß ich einen Ehemann brauche. Einen
Aushilfsehemann.«
BUCH I
Die Straße zur Hölle
Kapitel 1
Salamanca, Spanien
Juni 1812
Der weißhaarige Chirurg fuhr sich müde über die Stirn, auf der er eine Blutspur hinterließ, während er den Mann musterte, der auf dem primitiven Operationstisch lag. »Da haben Sie sich aber wirklich eine schöne Schweinerei eingebrockt, Captain«, sagte der Chirurg mit ausgeprägtem schottischen Akzent. »Hat Ihnen nie jemand gesagt, daß man die Ladung einer Kartätsche nicht mit der Brust abwehren kann?«
»Bedauerlicherweise nicht«, flüsterte Lord Michael Kenyon mühsam. »In Oxford wird mehr klassische Literatur gelehrt statt praktischer Dinge. Vielleicht hätte ich auf die neue Militärhochschule gehen sollen.«
»Wird eine echte Herausforderung sein, all diese Kugeln herauszubekommen«, sagte der Chirurg mit
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