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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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älteren Bruder und der alte Chevrolet eben ihrer Mom. Aber sie fuhr ihn so gut wie nie.
    »Sie mag die Autos von meinem Dad lieber. Japanische Wagen. Sie findet sie schicker. Meine Mom steht auf alles, was schick ist«, erklärte Zelda, und darum fuhren Oya, sie und ich ab und zu mit dem alten, abgehalfterten Chevy durch die Gegend.
    Und dann nahm ich ihn mit. Es waren, laut Oyas Smartphone-Navigations-App, zweihundertsechsunddreißig Meilen bis Fairview in Maine. Vier Stunden Fahrtzeit. Das würde ich schaffen.
    »Kommst du mit? Ich besuche Ian und Amanda, Rabeas Eltern !«, fragte ich meine Schwester und betonte das Wort Eltern, um nicht wieder Wen? zur Antwort zu bekommen, wenn ich von unseren Großeltern sprach.
    »Ich fasse mal zusammen«, sagte Oya skeptisch und warf mir einen langen Blick zu. »Du willst, erstens, Mrs Wards Auto klauen, um damit dann, zweitens, zu Rabeas Eltern zu fahren, die, drittens, total weit weg wohnen, und viertens, mit uns total zerstritten sind?«
    »Mit mir sind sie nicht zerstritten«, sagte ich gereizt.
    »Aber es muss da mal eine Riesensache gewesen sein«, erklärte Oya, und jetzt klang ihre Stimme nachdenklich. »Ich weiß noch, sie hat mal mit Sergio darüber gesprochen.«
    Oya runzelte die Stirn wie fast immer, wenn sie an Stromboli und Sergio Milazzo und unser Leben dort zurückdachte.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte ich.
    »Dass sie sie hasst. Dass sie ihr Vorwürfe machen. Dass sie kein bisschen Verständnis für sie hätten. Dass sie ihr letztendlich die Schuld an was auch immer geben. Und dass sie sich schämen würden, so eine kalte, egozentrische Tochter zu haben. – So was in der Art, eben.«
    Oya seufzte, und wir schauten uns ratlos an. Manchmal war das Leben einfach nur Bullshit.

    Ich fuhr einfach los. Es waren schließlich immer noch Ferien, wenn auch nur noch eine Woche, und andere verreisten ja auch. Fairview, das hatte ich inzwischen ergoogelt, war eine schmale Halbinsel, die ein Stück in den Atlantik ragte. Also: erst Connecticut, dann Massachusetts und schließlich noch ein Zipfel New Hampshire. Danach ging es nur noch die Küste entlang, bis nach Maine.
    Ich startete aufgeregt, beruhigte mich auf der Interstate allmählich, weil alles gut lief, wurde dafür müde und hungrig, bekam Nackenschmerzen, fuhr durch einen In-N-Out-Burger am Freeway und kaufte mir dort einen Cheeseburger und eine Cola mit so einem Bibelspruch auf der Unterseite des Bechers, wie es sie eben bei In-N-Out-Burger immer gab, bekam zu allem Überfluss auch noch Kopfschmerzen, summte später zu Cats in the cradle , weil sie es im Radio spielten, und musste weinen dabei. Ich versuchte, mich an meinen Vater zu erinnern, an irgendetwas Spezielles, aber es gelang mir nicht. Die Luft war kalt und der Himmel schmuddelig, und um mich herum war ein bisschen Schnee und viel Weihnachten. Hohe, unspektakulär schneebestäubte Bäume drängten sich am Straßenrand, und immer wenn sich ein Haus mit gepflegtem Garten dazwischenschob, blinkten Lichterketten auf oder gleich ganze Lichterarrangements: Rentiere, Kometen, Engel, Santa Claus, das volle Programm. Ab und zu kam zwischen Bäumen, Häusern und Weihnachten das Meer zum Vorschein.
    Das Meer : ein Hingucker. Man kann gar nicht anders, sogar bei Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hunger, nagenden Zweifeln und Gefühlen wie diesen: Das Meer muss man sich ansehen, wieder und wieder, wann immer Häuser und Bäume den Blick darauf freigeben. Verrückt, aber wahr. Das Meer ist wie ein Sehnsuchtsmagnet, keine Ahnung warum.
    Endlich sah ich ein Schild, auf dem Nach Fairview 8 Meilen stand. Die Straße führte jetzt bergab und schlängelte sich.
    Was tat ich hier? Mein Handy hatte ich vorsorglich ausgeschaltet. Ich wollte nicht von Rabea oder Mrs Ward angerufen werden. Der einen würde längst aufgefallen sein, dass ich fehlte, der anderen, dass ihr Auto fehlte.
    Oya hatte gleichzeitig mit Jonna, Brendan und ein paar Mitgliedern des Freunde-der-Zahl-Pi-Debattierclubs gechattet, als ich aufgebrochen war. Ich erkannte sage und schreibe fünf geöffnete Chatfenster auf dem Bildschirm ihres Laptops, als ich bei ihr hereinschaute, ehe ich aufbrach. Wir nickten uns zu, und Oya sagte: »Ruf mich an, wenn es etwas zu erzählen gibt. Und fahr vorsichtig. Und bist du wirklich sicher, dass du diesen Trip machen willst?«
    Ich nickte und zog die Tür wieder zu.
    Und jetzt war ich fast da. Zum Glück. Die Tanknadel zeigte schon wieder Benzinmangel an. Dieses Auto

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