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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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beruhigen.
    Halt.
    Myron.
    Myron?
    Wer war dieser Myron? Und warum hatte ich diesen Namen auf einmal im Kopf? Ich kannte keinen Myron, da war ich mir sicher. Aber trotzdem: Myron. Irgendetwas war da.
    »Erzähl keinem von der Höhle, okay?«, sagte Darius, als wir wieder an der Schule waren.
    »Natürlich nicht«, sagte ich.
    »Versprichst du es?«, hakte Darius nach.
    Ich versprach es.

    Letzter Schultag, Jahresabschlussfest, Weihnachten, Weihnachtsferien.
    Rabea blühte, für ihre Verhältnisse, auf.
    »Wir arbeiten hart«, sagte sie und meinte ihre Strafgefangenen. »Am Anfang waren sie schrecklich blockiert und haben sich geweigert, auch nur einen Pinsel in die Hand zu nehmen, aber jetzt läuft es prima. Ich habe sie, sozusagen, geknackt. Samson Craig, ein Totschläger, malt wundervolle Kohlezeichnungen. Sehr wild, aber tiefgründig. Dauernd brechen ihm die Stifte ab, aber ich sorge für Nachschub. Und Joe Estefan brüllt beim Malen wie ein gereizter Stier, dabei malt er kleine, feine, gestrichelte Zeichnungen, die gar nicht zu einem Zweimeterkerl wie ihm passen. Er hat früher massenweise Tankstellen und Kioske überfallen.«
    Oya, Zelda und ich warfen uns vielsagende Blicke zu.
    Achmed schrieb mir von den Kanarischen Inseln, wo er Surfferien im Sonnenschein machte, wie es schien. Darius war mit seiner Familie zum Skifahren in Denver, Colorado.
    Zelda war dauernd bei Oya, die sich nicht mehr so oft mit Brendan traf. Die beiden redeten schwedisch miteinander, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Zelda schwedische Großeltern hatte.
    Immer wieder Großeltern, überall.
    »Sieht man schon was?«, fragte Zelda ab und zu ungeduldig und meinte damit ihre Figur. Sie versuchte verbissen, sich an Oyas Diätratschläge zu halten, aber bisher war noch nicht viel dabei herausgekommen. Unsere Blicke schienen dies zu bestätigen, denn Zelda seufzte deprimiert.
    Ich ging noch drei Mal Babysitten zu Rosens, dann verreisten auch sie.
    »Danke für deine Hilfe, Kassandra«, sagte Mr Rosen, als er mich beim letzten Mal nach Hause fuhr. »Du warst großartig. Virginia sagt das auch.« Virginia war Mrs Rosen. Sie hatte mich vor ein paar Tagen gebeten, sie doch beim Vornamen anzureden, und die beiden hatten mir den gesammelten Shakespeare zu Weihnachten geschenkt, weil sie große Theaterfans waren und ich gestanden hatte, noch nie etwas von William Shakespeare gelesen zu haben. »Lucilla hat dich so ins Herz geschlossen. Ich weiß gar nicht, wie das werden soll, wenn wir in Maine sind und sie dich so lange nicht zu Gesicht bekommt.«
    Wir lächelten uns zu.
    »Keine Angst zurzeit?«, fragte Mr Rosen da plötzlich. Wir standen schon vor unserem kleinen, unscheinbaren Haus am Ende der Sunland Road, und der Motor von Mr Rosens Auto lief immer noch.
    Ich hob den Kopf. Ach ja, Angst … Am Poetry-Slam-Abend im vergangenen Oktober. Mr Rosen hatte es mir auf den Kopf zugesagt, dass ich Angst hätte.
    Ich schluckte. Was sollte ich sagen? Dass ich dauernd diese eigenartigen Beklemmungen hatte? Dass ich mich selbst nicht verstand? Dass diese Angst mich immer wieder ohne Vorwarnung wie aus dem Nichts überfiel? Dass ich dieses Nichts schrecklich fürchtete? Dass da eine Leere in mir war, die ich manchmal fühlte und manchmal nicht fühlte? Dass diese Leere irgendwie mit Darius Seaborn verknüpft war? Dass ich befürchtete, verrückt zu sein? In welcher Art und Weise auch immer.
    »Es … geht«, sagte ich schließlich. »Ich glaube, es ist nichts … Ernstes. Vielleicht liegt es einfach an der Art Leben, das ich bisher geführt habe. Die vielen Umzüge. So viele verschiedene Länder … Verstehen Sie? Irgendwie bin ich einfach ein bisschen erschöpft, glaube ich.«
    Mr Rosen nickte und drückte für einen Moment meine Hand. Meine war kalt und seine warm.
    Ich mochte ihn. Er war nett und einfühlsam und nahm sich Zeit für seine Schüler. Ganz klar war er ein guter Vertrauenslehrer. Man konnte ihm vertrauen, und darauf kam es ja wohl an. Und ich mochte seine warmen, braunen, guten Augen. Und sein Lächeln.

    Sozusagen stahl ich ein Auto. Das Auto von Zeldas Mom. Einen alten Chevrolet, mit dem ich schon ein paarmal gefahren war, seit ich meine Connecticut-Driver’s-licence hatte.
    »Nimm ihn ruhig, bei uns steht er sowieso nur in der Garage herum«, hatte Zeldas Mutter eines Tages zu mir gesagt. Die Wards hatten, obwohl sie alles andere als reich schienen, sage und schreibe vier Fahrzeuge, zwei gehörten Zeldas Vater, eins ihrem

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