Weil du mich erloest
mehr gegessen. Die Medikation sollte nicht nur ihre Depression und ihre Psychose lindern, sondern auch ihren Appetit anregen. Das war die Empfehlung der Ärzte, Ian«, führte sie noch an, denn sie konnte sehen, wie sich sein Adamsapfel auf und ab bewegte, als er schlucken musste. »Sie wäre gestorben, hätte sie nicht wieder mit dem Essen begonnen.«
»Sie hätten sie mit einer Magensonde künstlich ernähren können.«
»Ja, das hätten sie vermutlich. Aber die Ärztin hat empfohlen, zuerst diese Maßnahme zu ergreifen, und ich war ihrer Meinung. Ich weiß, dass auch du einverstanden warst. Du wolltest sie nicht durch künstliche Ernährung am Leben erhalten. Du wolltest eine Entscheidung treffen, die ihre Rechte als Mensch so weit wie möglich respektierte. Du konntest nicht wissen, welche Reaktion sie auf das Medikament zeigen würde. Es ist doch sogar so, dass es gar keinen unwiderlegbaren Beweis dafür gibt, dass dieses Medikament zu ihrem Tod geführt hat. Du weißt, wie krank sie war … wie schwach.«
»Es war das Medikament«, sagte er knapp, die Augen immer noch stur geradeaus auf die Straße.
»Du hast dich dein ganzes Leben um sie gekümmert. Du hast tausendmal mehr getan, als die meisten anderen Söhne getan hätten. Wer immer sich auch sonst um ihre Pflege gekümmert hätte, er wäre in die gleiche Situation gekommen und hätte sich ganz genau so entschieden, wie du es getan hast, Ian. Es war Zeit für sie«, fügte sie noch sanft hinzu, »sie hatte schon genug gelitten.«
Seine Nasenflügel bebten, doch sie war sich nicht sicher, ob er verärgert war, dass sie dieses Thema angeschnitten hatte, oder ob er von ihren Worten gerührt war. Seine Hände griffen fester um das Lenkrad. Es dauerte eine Weile, bis sie bemerkte, dass er gar nicht mehr auf ihr Gespräch konzentriert war. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und runzelte die Stirn. Sie drehte sich um und sah über ihre Schulter ein anderes Auto, das viel zu dicht an ihrer Stoßstange fuhr. Ian gab Gas, doch das Auto blieb dicht hinter ihnen. Plötzlich schoss es nach vorne und stieß sie so fest an, dass sie in die Sicherheitsgurte gepresst wurden.
»Was macht der denn da?«, rief Francesca in ungläubigem Ärger aus, als das andere Auto ruckartig auf die Gegenfahrbahn wechselte. Sie schrie erschrocken auf, denn sie war sicher, dass der andere Fahrer ihre Stoßstange nur um Zentimeter verfehlt hatte.
»Francesca, Kopf runter«, befahl Ian.
Das Auto – eine dunkelgrüne Limousine – schloss zu ihnen auf. Sie bekam schreckliche Angst, als sie in das Innere des Wagens blickte und dort ein ihr vertrautes, markantes Gesicht sah, aus dem sie ein wutentbrannter Blick traf.
»Ian, das ist …«
Ian drückte ihren Hinterkopf mit der Hand nach unten und griff dann schnell wieder ans Lenkrad. Sie tat nun das, was er von ihr verlangt hatte und beugte sich gegen den Zug des Gurtes vor auf die Knie, unter die Fensterscheibe. Sie jammerte alarmiert und packte den Türgriff, als das Auto plötzlich heftig schwankte. Der Fahrer des zweiten Wagens hatte sie seitlich gerammt. Ihr Auto rutschte von der Straße, Kies prasselte zwischen den Rädern. Angst schoss durch ihren Körper, als wäre sie ihr gerade gespritzt worden. Sie würden die Kontrolle verlieren und verunglücken.
Doch auf spektakuläre Weise konnte Ian das Auto beherrschen, als er bremste. Sie kam wieder hoch und lugte vorsichtig über das Armaturenbrett. Das dunkelgrüne Auto war an ihnen vorbeigerast. Ihr Herz schlug wie wild, denn sie war sich nicht sicher, ob der Fahrer nicht umdrehen und zu ihnen zurückkommen würde. Doch die Limousine schoss über einen kleinen Hügel auf der Landstraße und fuhr davon.
Über ihren ganzen Körper liefen Schauer. Sie drehte sich zu Ian um und begegnete seinem harten Blick..
»Geht es dir gut?«, fragte er knapp.
Sie nickte nur.
»Das war der Mann.«
Seine Augen wurden zu gefährlich leuchtenden Schlitzen.
»Welcher Mann?«
»Ich habe ihn erkannt«, sagte sie mit schwerer Zunge. »Das war der Mann, der mich in Chicago angegriffen hat.«
»Bist du sicher?«
Sie nickte.
»Hundert Prozent. Dieses Gesicht werde ich so schnell nicht wieder vergessen.«
Die zwei Polizisten befragten Ian und Francesca im Salon, auch Anne, James, Gerard, Lucien und Elise waren anwesend.
»Ich möchte Sie bitten, morgen früh ins Polizeibüro zu kommen, damit Sie dort mit unserem Spezialisten ein Phantombild des Mannes anfertigen können, der Sie nun bereits
Weitere Kostenlose Bücher