Weil du mich fesselst
gemanagt, ab und zu mit unseren Hinweisen und Instruktionen. Doch von den fünf Mitgliedern des Direktoriums zählt deine Stimme am meisten, wenn es um größere Zukäufe und Liquidierungen geht. Wir können in diesem Augenblick ohne deine Mitarbeit nicht weitermachen.«
»Aber wenn ich doch keinen Platz in Ians Leben habe, wie kann ich dann in seiner bescheuerten Firma eine Rolle übernehmen?« Als Francescas Ärger durch ihre spröde Rüstung brach, fing sie an zu fauchen. Luciens Gesicht blieb ungerührt, sein rätselhafter Blick weiter auf sie gerichtet. Er sprach es nicht aus, dass er sie für selbstsüchtig hielt, wenn sie sich an diese Kränkung klammerte, aber Francesca konnte sich vorstellen, dass er genau das dachte. Lucien hatte ja eigentlich seine Ehefrau und ein eigenes Geschäft, um die er sich kümmern musste, und fand trotzdem noch Zeit in seinem vollgepackten Terminkalender, um sich mit den Angelegenheiten von Ians Firma zu beschäftigen.
Sie warf Davie einen wilden Blick zu, dabei wusste sie doch sehr genau, dass ihr guter Freund ihr in diesem Fall gar nicht helfen konnte. Verdammt, Ian. Wie konnte er sie einfach verlassen, wo er sich doch zugleich in jeder Pore ihres Daseins festgesetzt hatte, wo er doch Schweiß und Blut in seine Firma investiert hatte, in die er sogar sein eigenes Wesen eingebracht hatte?
Noch nie war sie so in eine Ecke gedrängt worden.
Ach, du kannst mich mal. Er hatte sie beide im Stich gelassen – seine Firma und sie. Die beiden Dinge, von denen er sagte, sie seien ihm in der Welt am wichtigsten. Sie war ein Wrack, das er hinter sich gelassen hatte. Sollte seine Firma doch der zweite Schrotthaufen werden, ihr war das egal. Es hatte sich einmal so angefühlt, als würde sie bei lebendigem Leib brennen, als sie von seinem Leiden erfahren hatte, doch dann hatte er ihr die Möglichkeit genommen, ihm Trost zu spenden. Seine Abwesenheit verursachte ihr solchen Gram und unermessliche Trauer, ihre Sorge um seine Gesundheit war so groß, dass sie sich wie ausgehöhlt vorkam. Sie hatte ganz sicher nichts übrig, was sie abgeben konnte.
In all diese Gedanken schlich sich doch eine ergreifende Erinnerung an das letzte Mal, als Ian und sie sich geliebt hatten.
Sag mir, dass du mich liebst.
Ich liebe dich so sehr.
Immer.
Ja. Immer.
»Wie schon gesagt, ich kann verstehen, warum du dich nur so ungern damit beschäftigen möchtest«, fuhr Lucien fort und brachte sie damit wieder zurück in den angespannten Moment der Gegenwart. »Der Mensch neigt dazu, sich in schmerzhaften Momenten zurückzuziehen, um seine Wunden zu lecken. Das ist ganz natürlich … ein Instinkt der Heilung. Und trotzdem bitte ich dich, das zu tun, Francesca. Und zwar nicht für mich.«
Sie konnte den Schluchzer kaum kontrollieren. Sie zuckte zusammen und wich Davies starrem Blick aus. Er sprach von ihrem Schmerz und ihrer Reaktion darauf, natürlich, aber er spielte damit auch auf Ian an. War es nicht genau das, was er tat? Sich verkriechen und sich um seine Wunden kümmern?
»Ich werde mich mit euch treffen und mir anhören, was ihr zu sagen habt. Aber ich verspreche gar nichts«, war ihre steife Antwort.
Er nickte einmal.
»Das ist auch alles, worum ich dich bitten wollte.«
Der erste Schlag traf sie, als sie Ians großzügiges Büro betrat, einen Raum mit jenem maskulinen, strengen Luxus und dem Blick auf den Fluss und die Skyline, der ihr so vertraut war. Noch mehr beschleunigte sich ihr Herzschlag, als sie die eifrigen, besorgten Mienen von Ians Großeltern, Anne und James Noble, erblickte.
Sie mochte die beiden. Konfrontiert mit der harten Realität, dass sie nun nicht länger auserkoren war, ein Teil dieser Familie zu sein, ließ ihr das Atmen, ganz zu schweigen vom Sprechen, für eine ganze Weile zu einer großen Herausforderung werden. So nickte sie einfach höflich, als Lucien sie Ians Cousin Gerard Sinoit vorstellte.
Der einzige noch freie Stuhl an dem großen, glänzenden Konferenztisch aus Kirschholz war am Kopfende. Francesca war gezwungen, dort Platz zu nehmen. »Danke«, sagte sie leise, als sie sich gesetzt hatte und sie Lin Soongs Blick traf, die ein Glas Mineralwasser mit Zitrone vor ihr abstellte. Ians Assistentin griff zu ihr hinüber und drückte ihre Hand. Ihre natürliche Empathie und Wärme standen wie immer in erstaunlichem Kontrast zu der kühlen Schönheit und aufpolierten professionellen Eleganz. Francesca drehte ihre Hand, um den Druck zu erwidern, sie war dankbar für
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