Weil du mich liebst
Vielleicht wollten sich die damaligen Besitzer damit eine Fluchtmöglichkeit oder ein Versteck anlegen, sollte die Armee das Haus besetzen wollen. Und schaut euch das einmal an«, sagte Ian und leuchtete mit der Taschenlampe über ein Plastikrohr, in dem eine ganze Reihe elektrischer Kabel verlegt war. »Der Kerl lässt mich für seinen Strom zahlen«, stellte Ian in einer seltsamen Mischung aus Verärgerung, Amüsement und Respekt fest.
Anschließend begaben sie sich wieder nach oben ins Empfangszimmer. Das Feuer war schon fast erloschen, strahlte aber noch genug Hitze aus, um Francesca zu wärmen.
»Was denkst du, wie alt ist er?«, fragte Lucien, nachdem sie sich eine Weile über den eigenartigen Reardon unterhalten hatten.
»Schwer zu sagen bei dem bescheuerten Bart und all dem Dreck. Vielleicht so alt wie wir, vielleicht ein bisschen jünger«, vermutete Ian. »Er hat sicher eine Menge zu erzählen.«
»Auf jeden Fall steckt mehr in ihm als nur dieser wilde Obdachlose«, erklärte Lucien, stand auf und streckte sich. »Er ist organisiert und geht methodisch vor … er ist ziemlich genial, wenn mich mein Eindruck nicht täuscht.«
»Er ist ganz der Vater«, murmelte Ian.
»Und die Leute im Dorf haben dir nichts über seine Vergangenheit verraten?«, wollte Lucien wissen.
»Ich habe ein paar der neu Hinzugezogenen dazu bringen können, mit mir zu reden.« In Ians Augen spiegelten sich die letzten Flammen des Feuers. »Offenbar sind alle davon überzeugt, dass er ein obdachloser, wilder Penner ist.«
»Warum sollten die Leute, die schon länger hier leben, nicht mit dir reden wollen?«, fragte Francesca.
Sie zuckte innerlich zusammen, als seine glühenden Augen die ihren trafen. Er hatte sie seit ihrer Ankunft bislang kaum angesehen.
»Weil ich sie erschrecke.« Ians Mund verzog sich zu einem freudlosen Lächeln. »Sie halten mich für Gaines’ Geist.« Ihr Herz schien gegen ihr Brustbein zu hämmern. Sie blinzelte, als er plötzlich vom Sofa aufstand.
»Ich gehe schlafen«, verkündete Ian.
Lucien blickte sie halb entschuldigend, halb mitleidend an, als Ian ohne weitere Erklärung den Raum verließ.
Lucien führte sie noch zu dem Zimmer, in dem Ian schlief, dann wünschte er ihr eine gute Nacht und verschwand in einem Raum am anderen Ende des langen Flurs.
Vorsichtig klopfte Francesca an die Tür, bevor sie eintrat, doch Ian antwortete nicht. Unbewegt stand er neben einem alten Himmelbett mit einem herunterhängenden Baldachin aus staubigem, ausgeblichenem, karmesinrotem Samt. Sie sah ihn fragend an, doch er starrte aufs Bett, ohne sie zu beachten.
»Ich weiß nicht, wo ich dich für die Nacht unterbringen kann.« Seine formelle Ausdrucksweise überraschte sie.
»Ich verstehe nicht genau, was du meinst«, sagte sie verwundert. Würde er darauf bestehen, dass sie in getrennten Betten schliefen? War er über ihr Erscheinen immer noch derart verärgert?
»Ich meine, ich weiß nicht, wo ich dich für die Nacht unterbringen kann. Es gibt keinen angemessenen Ort hier«, dabei wies er mit der Hand auf die durchgelegene Matratze auf dem alten Möbelstück. »Alle Betten hier sehen aus wie das da.«
Sie ließ ein kleines, bellendes Lachen hören, als sie verstand, worüber er sich Sorgen machte.
»Mach dich nicht lächerlich. Für mich ist das in Ordnung. Ich habe schon öfter gecampt. Das wird auch nicht schlimmer werden …«
Sie beendete den Satz nicht, als er sich zu ihr umdrehte und sie die völlige Gefühllosigkeit in seinem Gesicht erkannte.
»Ian«, flüsterte sie. Ihr Hals schnürte sich zu. Sie eilte zu ihm, schloss ihn in die Arme und legte ihre Wange auf seine Brust. »Es ist mir ganz egal, wo ich schlafe. Ich möchte einfach nur dort sein, wo du auch bist. Ich möchte mit dir zusammen sein und sicher sein, dass es dir gut geht.«
Für ein paar elend lange Sekunden erwiderte er ihre Umarmung nicht. Dann schlossen sich seine Arme langsam um ihre Taille. Er zog sie fest an sich, sein Gesicht lag auf ihrem Kopf.
»Du riechst so gut«, murmelte er in ihre Haare. »Wenn ich meine Nase hier für immer vergraben könnte, wenn ich mich in dir vergraben könnte, würde ich auch dieses eklige, alte Haus hier vergessen … alles vergessen. Du kannst dir nicht ausmalen, wie verlockend diese Vorstellung ist.«
Sie stöhnte leise und drückte ihr Gesicht noch fester gegen die feste Wärme, die er ausstrahlte.
»Ich musste einfach kommen. Sei mir nicht böse, bitte. Ich weiß ja, ich hatte gesagt,
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