Weil du mich siehst
Wolkenkratzer, nicht die Hot-Dog-Stände in den Straßen Manhattans, nicht den Strand von Miami, nicht das Hollywood-Schild. Er würde niemals in einem der gelben Taxis sitzen, denn er könnte dem Fahrer ja nicht einmal sagen, wo es hingehen sollte.
Es machte ihm aber nichts aus, diese Orte nur von der Couch aus zu sehen. Das war ihm sogar lieber. Er ging nicht gerne unter Menschen. Wenn man sich nicht bemerkbar machen konnte, sich nicht verständlich machen konnte, blieb man am besten zu Hause.
In einer der Serien gab es eine Ermittlerin, die Ähnlichkeit mit Paula hatte, sie hatte ebenso braunes, langes Haar und ungefähr dieselbe Größe und Figur. Als wenn er nicht schon genug an sie dächte … ständig wanderten seine Gedanken zu dieser traurigen Frau hin. Er wusste nicht einmal, ob das richtig war, immerhin war sie ein paar Jahre älter als er – wie alt genau, wusste er nicht. Vielleicht hatte die Trauer sie auch nur altern lassen.
Aber da war etwas zwischen ihnen. Und er wusste, dass sie es auch erkannt hatte. Als er neulich ihre Hand hielt, war da eine Wärme zwischen ihnen, ein unbeschreibliches Gefühl, er konnte es nicht einmal in Worte fassen. Er wusste nur, dass sie es auch spürte, das hatte sie ihm sogar gesagt.
Er mochte sie kaum gehen lassen an jenem Freitag. Als sie von dem Mann abgeholt wurde, hatte er ihr verwirrt hinterher gesehen. Was war nur zwischen ihnen passiert? Erst hatte er mit Schrecken gedacht, dass dieser Mann ihr fester Freund oder Ehemann war, aber Johannes hatte ihn schnell beruhigt, ihm erzählt, dass es nur der Fahrer sei, der sie stets brachte und wieder abholte.
Morgen würde er sie wiedersehen. Mit Paula in Gedanken und dem Teller auf dem Schoß nickte er ein. Er schreckte hoch, als der Teller zu Boden fiel.
Sein Vater saß ihm gegenüber auf dem Sessel. Finn setzte sich auf. Wann war sein Vater nach Hause gekommen? Wie lange hatte er geschlummert?
Sein alter Herr sah ihn mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht an.
Finn nahm den Block, der immer auf dem Wohnzimmertisch lag, in die Hand.
WAS?, schrieb er.
»Du kannst es ja doch. Ich habe es immer gewusst, dass du mich nur an der Nase herumführst.«
Fing er schon wieder damit an? Seit vier Jahren bezeichnete sein Vater ihn nun schon als Lügner, sagte, er könne sehr wohl sprechen, er tue es nur nicht, um sich nicht rechtfertigen zu müssen. Er hatte aus Protest nie die Zeichensprache gelernt, weshalb Finn sich ihm gegenüber nur schriftlich ausdrücken konnte.
Finn ging gar nicht auf seinen Vater ein, lehnte sich nur wieder zurück und sah sich weiter Criminal Intent an.
»Sprich mit mir! Ich weiß, dass du es kannst. Ich habe es doch gehört.«
Jetzt sah Finn doch verwundert auf. Wann will er es denn gehört haben? , fragte er sich.
»Du hast im Schlaf geredet.«
DU SPINNST DOCH!, schrieb er.
»Wenn du meinst. Ich weiß, was ich gehört habe.«
Nun wollte Finn es doch wissen. Was, wenn etwas Wahres dran war?
WAS HABE ICH DENN GESAGT?
»Du hast Paula gesagt, immer wieder Paula .«
Paula? Das konnte doch nicht sein! Konnte sie DAS in ihm auslösen?
Er hatte bei der ersten Begegnung schon gemerkt, dass sie einander näherkommen sollten, das Schicksal hatte sie zusammengeführt. Bisher hatte er noch nicht verstanden wozu, doch allmählich fing er an zu begreifen: Sie sollten einander helfen.
Erstaunt saß Finn da, jedoch nicht gewillt, sich dieses Gefühl anmerken zu lassen.
»Wer ist diese Paula?«, fragte sein Vater nun.
NIEMAND, DEN DU KENNEN MÜSSTEST, schrieb er.
»Hätte mich auch gewundert, wenn sich irgendein weibliches Wesen für einen Nichtsnutz wie dich interessieren würde.« Mit diesen Worten stand er auf und ging.
Das war nichts Neues. Sein Vater sprach oft so mit ihm, es tat nicht mehr weh, meistens zumindest. Es war im Moment auch vollkommen unwichtig, das Einzige, was zählte, war Paula.
Gedanken
Der Samstag mit Damian war vorüber und Paula würde ganze zwei Wochen warten müssen, bis sie ihren kleinen Liebling wiedersah . Auch wenn sie es sich nicht erklären konnte, hatte der Samstag einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Einen ganzen Tag lang Damian in seinem Umfeld zu erleben, führte ihr die Wirklichkeit vor Augen. Damian war so glücklich, dort, wo er jetzt war. Konnte und und vor allem wollte sie das zerstören? Selbst wenn sie eines Tages in der Lage wäre, ihn
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