Weil Ich Euch Liebte
Bett.
Diesmal ließ der Schlaf nicht lange auf sich warten. Und er wäre nur zu willkommen gewesen, hätte ich nicht diesen Alptraum gehabt.
Sheila saß auf einem Stuhl, einem chromglänzenden Zahnarztstuhl mit roter Polsterung. Sie war mit Gurten und Riemen daran gefesselt. In ihrem Mund steckte ein Trichter, so tief hineingeschoben, dass er bis in den Rachen reichen musste. In den Trichter mündete eine mit Klammern an der Decke befestigte Flasche, so groß wie ein Kühlschrank. Eine Wodkaflasche. Wodka floss heraus, überflutete den Trichter, spritzte auf den Boden. Es war eine Art Waterboarding, nur mit Alkohol statt Wasser. Sheila versuchte, sich loszureißen und ihren Kopf wegzudrehen, und irgendwie war ich auch da und schrie aus Leibeskräften. Sie sollten aufhören, wer diese »sie« auch sein mochten.
Ich erwachte schweißgebadet. Die Laken waren nass.
Ich war mir ziemlich sicher, was diesen Traum ausgelöst hatte. Diese Jugendlichen am Nebentisch. Die Bier auf ex getrunken hatten. Meine Gedanken kehrten zurück zu dem Moment, als die drei anderen ihrem Freund die Arme festgehalten und ihn gezwungen hatten, noch mehr Alkohol zu trinken.
Sie gossen ihm das Bier in die Kehle.
Der Junge hätte sich auch ohne diese Zwangsmaßnahme betrunken, das war klar. Aber was, wenn er das nicht vorgehabt hätte? Er hätte nichts, aber auch gar nichts gegen die anderen ausrichten können.
Man konnte einen anderen Menschen dazu bringen, zu viel zu trinken. Man konnte ihn dazu zwingen. Und es war gar nicht so schwer.
Und dann dachte ich: Was wäre gewesen, wenn sie den Jungen in ein Auto gesetzt hätten? Vielleicht sogar ans Steuer?
Menschenskind.
Ich setzte mich auf.
War das möglich? Konnte es sich so abgespielt haben?
Was, wenn Sheila gezwungen worden war, zu viel zu trinken? So viel, dass sie jedes Urteilsvermögen verloren hatte und ins Auto gestiegen war. Oder wenn jemand anderes sie ins Auto gesetzt hätte, nachdem er ihr eine große Menge Alkohol verabreicht hatte?
War das so abwegig? Kurz gesagt: ja.
Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr war ich überzeugt, dass es zumindest möglich war. Ich musste wieder an das Zitat von Sherlock Holmes denken, das ich von Edwin gehört hatte. Zugegeben, es klang ziemlich weit hergeholt, trotzdem schien es mir weit weniger unsinnig als das Szenario, das man mir hatte einreden wollen. Dass Sheila sich absichtlich betrunken und dann ans Steuer ihres Wagens gesetzt hatte.
Der Haken an dieser haarsträubenden Theorie war, dass sie zwei fundamentale Fragen aufwarf:
Wer sollte sie dazu gezwungen haben, so viel zu trinken?
Und warum?
Das Klingeln des Telefons erschreckte mich beinahe zu Tode. Die Digitalanzeige meines Weckers zeigte 2:03. Himmelherrgott. Irgendwas sagte mir, dass es Joan war. Ich hatte keinen Nerv für ihre Probleme.
»Hallo?«, sagte ich.
»Glen, Sally hier.« Sie klang völlig aufgelöst. »Es tut mir so leid, dass ich dich so spät noch störe, aber ich weiß nicht, was ich tun soll, ich wusste nicht, wen ich sonst hätte anrufen können oder –«
»Sally, Sally, einen Moment«, sagte ich. Ich zupfte an meinem Oberteil, spürte, wie nass es war. »Eins nach dem anderen. Sag mir, was los ist. Ist mit dir alles in Ordnung?
»Es ist wegen Theo«, schniefte sie. »Ich bin bei ihm zu Hause, und er ist nicht da. Da muss was passiert sein.«
Zweiundvierzig
Sally sagte mir, wie ich fahren musste, und ich schrieb mit. Meine Hand zitterte ein wenig.
Theo wohnte auf dem Land, in einem Wohnmobil auf einem unbebauten Grundstück westlich von Trumbull. Ich nahm den Milford Parkway bis hinauf zum Merritt Parkway und fuhr von da Richtung Westen weiter. Hinter Trumbull fuhr ich auf der Sport Hill Road nach Norden und bog dann links in die Delaware Road ab. Von da rief ich Sally auf dem Handy am. Sie hatte mich vorgewarnt, dass die Grundstückseinfahrt leicht zu übersehen war, besonders nachts. Deshalb sollte ich sie anrufen, und sie würde mich an der Delaware Road abholen.
Ich brauchte fast eine Stunde, um hinzukommen. Es war schon fast halb vier, als ich an den Straßenrand fuhr. Sally lehnte am Heck ihres Chevy Tahoe. Sie machte ein paar Schritte vorwärts, wahrscheinlich um sich zu vergewissern, dass die Scheinwerfer, die da von der Straße abschwenkten, meine waren. Ich machte eine Sekunde das Innenlicht an und winkte, damit sie sich keine Gedanken machen musste, ob es vielleicht doch ein Unbekannter war.
Wir waren hier wirklich mitten in
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