Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
weiter, komme bei ihnen an, als Vesna und Frankenfeld den Dritten gerade niedergerungen haben. Christoph Kaiser.
Frankenfeld atmet heftig.
Kaiser sieht mich, starrt mich an, keucht: „Jetzt will er auch mich umbringen.“
„Wir waren Idioten“, sagt Vesna, sie sitzt auf den Beinen von Kaiser, Frankenfeld hat seine Arme fixiert.
„Wenn ich gewusst hätte …“, stöhnt Frankenfeld. „Ich habe es nicht wahrhaben wollen, meine Güte, ich dachte, es geht nur um ein bisschen Wettbewerb, da sind ja die meisten nicht zimperlich.“ Er drückt Kaisers Arme noch fester zu Boden. „Sie haben ihn ermordet. Natürlich. Und als ich Idiot erzählt habe, dass Franjo jetzt bei den Bertholds arbeitet, hat er auch dran glauben müssen.“ Er dreht sich halb zu mir um: „Nur bei mir hat er gemeint, ich würde schon dicht halten. Nach dem Motto: Adel verpflichtet, oder: mitgehangen, mitgefangen, was weiß ich. Wenn ich nicht so lange weggeschaut hätte …“
„Gelogen, alles, was er sagt, ist gelogen“, keucht Kaiser.
„Wir haben die beiden großen Aufträge gebraucht“, fährt Frankenfeld fort, „sie waren die letzte Chance. Während einer Weinverkostung sind wir auf den ewigen Streit zwischen Berthold und Aichinger gekommen, wir haben ihn geschürt, viel hat es dazu ja nicht gebraucht, haben Aichinger auf unsere Seite gezogen. Hans Berthold hat uns gedroht, er hat von der Sache mit den Chips und Ähnlichem gewusst. Wenn wir unsere Anbote nicht zurückziehen würden, würde er an die Öffentlichkeit gehen, hat er gesagt. Meine Güte! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er ihn ermordet hat. Es war … ein Unfall zur richtigen Zeit. Ich wollte das Weingut wieder in die Höhe bringen, zu dem machen, was es vor Jahrzehnten einmal war, nur mit besserem Wein. Mein Ehrgeiz …“
Kaiser nützt einen günstigen Moment, versucht, Frankenfeld abzuschütteln, fast gelingt es ihm, aber er hat nicht mit Vesna gerechnet. Sie hat gelernt zu kämpfen, auch Frankenfeld packt wieder zu, bevor sich Kaiser aufrappeln kann. Der wirkt auch hier im hohen Gras seltsam farblos, eher wie ein Zombie als wie ein Macher, schon gar nicht wie ein Mörder.
„Was hätte ich denn tun sollen?“, heult er plötzlich auf. „Ich hätte doch nicht zusehen können, wie alles den Bach runtergeht.“
„Und ich wusste schon zu viel“, sage ich in seine Richtung.
„Er ist zum Keller gekommen, um mir zu drohen“, keucht Frankenfeld.
„Er hängt mit drin, was ist er ohne uns?“, kreischt Kaiser.
„Sie haben gewartet und haben mich in der Presse gesehen“, sage ich so trocken wie möglich.
„Er war es“, schreit Kaiser so laut, dass wir alle drei zusammenzucken. Scheinwerfer über dem Hügel. Suchend. „Schalten Sie das Licht ein“, sagt Frankenfeld. Ich gehe zu seinem Auto, drehe die Scheinwerfer an. Inzwischen ist es beinahe dunkel geworden, feuchte Luft zieht über die Hügel.
„Dort sind sie“, höre ich Martina schreien. Sie kommen mit Traktoren und zwei Polizeiwagen, Weinblätter blinken blau, da ist Zuckerbrot und sagt zu Kaiser: „Das war’s.“
Kaiser rappelt sich auf, lässt sich widerstandslos Handschellen anlegen.
„Ich dachte immer, das heißt: ‚Sie sind verhaftet‘“, flüstert mir Martina zu. „Warst du wirklich in der Presse eingesperrt?“
Frankenfeld sitzt am Wegrand, zusammengesunken.
[ N OVEMBER ]
Der Cuvée heißt in diesem Jahr zu meinen Ehren nicht wie sonst „Primeur“, sondern „Mira“, wir sitzen im Weinkeller und feiern den ersten Jungwein des Jahrgangs. Eine duftige Komposition aus Müller Thurgau, Veltliner und etwas Sauvignon Blanc. Morgen ist die offizielle Präsentation, über hundert Leute haben sich angekündigt, erzählt Eva. Dabei geht die Arbeit übergangslos weiter: Trauben für Prädikatsweine werden gelesen, der vergorene Traubenmost muss entschleimt, chemisch analysiert, vom Lager umgezogen werden. Fünf große neue Tanks sind aufgestellt worden, immerhin hat Eva Berthold den Vertrag mit der Kauf-Gruppe unter Dach und Fach. In der nächsten Nummer des „Wine Spectators“ wird ein großer Artikel über die tapfere Witwe, die großartige Winzerin und über einen Kriminalfall erscheinen, der so ganz nach dem Geschmack der Amerikaner sein dürfte.
Mir schmeckt der Cuvée, ich bin stolz, dass er meinen Namen trägt. Dabei wäre die Reportage vom Oktober schon Lohn genug gewesen, die Verkaufszahlen des „Magazins“ sind in die Höhe geschnellt, der Chefredakteur hat mir sogar
Weitere Kostenlose Bücher