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Weine ruhig

Weine ruhig

Titel: Weine ruhig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aliza Barak-Ressler
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waren sie froh darüber, dass ihre Kinder dadurch vor schlechten Einflüssen geschützt waren. Niemand ahnte, dass dies die ersten Anzeichen einer dunklen Zeit waren, die in Verfolgung, Zerstörung und Vernichtung münden würde.
    Wie viele Zeichen sind nötig, damit ein Mensch begreift, was ihm bevorsteht? Trotz des gewaltigen Sturms, der schnell näher kam und bereits durch weite Gebiete toste, blieb der Jude stehen, schloss die Augen, steckte den Kopf in den Sand trotz bitterer Erfahrungen zahlreicher Generationen vor ihm und rief:»Mit des Ewigen Hilfe wird alles gut werden.«
    Der Mann in der Wand
    Im September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Ein halbes Jahr zuvor waren Hitlers Truppen in die Tschechoslowakei einmarschiert und hatten Böhmen und Mähren annektiert. In der Slowakei, die sich mit Hilfe der Deutschen von der Tschechoslowakei abgespalten hatte, litten die Juden verstärkt unter den politischen Entwicklungen. Juden wurden aus dem Staatsdienst entlassen, aus Handelsgesellschaften und Banken, und das Land wohlhabender jüdischer Bauern und Gutsbesitzer, deren Familien seit Jahrhunderten in der Slowakei ansässig waren, wurde konfisziert und Nichtjuden übereignet.
    Ende 1941 wurde die Lage sogar noch schlimmer. Viele Menschen verloren ihre Existenzgrundlage, und niemand wusste, was der nächste Tag bringen würde. Michalovce war einer der ersten Orte in der Ostslowakei, in denen die Juden ab dem sechsten Lebensjahr gezwungen wurden, eine gelbe Binde am linken Arm zu tragen. Die Fabrikation und der Verkauf der gelben Streifen entwickelten sich schon bald zu einem blühenden Gewerbe. Plötzlich waren wir gebrandmarkt und diffamiert.
    In der jüdischen Gemeinde wurde viel über die Zukunft geraunt und gestritten. Manche Leute erinnerten sich noch lebhaft an die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Fremde -meistens junge Leute - tauchten in den Straßen und den Synagogen auf. Die Nachbarn versammelten sich in den Höfen und steckten die Köpfe zusammen, um zu erfahren, um wen es sich bei diesen geheimnisvollen Neuankömmlingen handelte.
Meine Eltern Zipora und Moshe Ressler, 1940 in Michalovce
    Auch in unserem Haus gab es Gerüchte über jüdische Flüchtlinge aus Polen, die nachts über die Grenze kamen und Zuflucht in Städten suchten, in denen Juden lebten. Doch bei allem Verständnis und Mitleid herrschte zugleich große Skepsis, wenn es um die »Geschichten« ging, die sie erzählten. Und in der Tat: Wer konnte denn schon derartige Dinge glauben? Die »Polen« berichteten nämlich, dass die Juden in Gettos zusammengepfercht wurden, und sprachen von brutalen Behandlungen (der Begriff »Getto« war in der Slowakei nicht bekannt, obwohl auch in Michalovce viele Juden gezwungen wurden, ihre Wohnungen in der Hauptstraße zu verlassen und in einfachere Behausungen in den Nebenstraßen zu ziehen). Die Flüchtlinge erzählten, dass viele junge Juden nach Rumänien und Russland flüchteten.
    Die Gemeinde war tief in Sorge. Man hatte Mitleid mit den Flüchtlingen, doch glaubte man, dass nur »dort« so etwas passieren könnte. Polen war bekannt für seinen jahrhundertealten Antisemitismus, so dass man den Polen unterstellen konnte, mit der rassistischen Doktrin der Nazis zu sympathisieren. In der Slowakei »würde so etwas nie passieren«. Sicher, es gab einen latenten Antisemitismus, aber der Beitrag der Juden zur Wirtschaft der Stadt und des Landes sicherte den Wohlstand der Gemeinde. Die engen nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Juden und Christen und ihr gemeinsames bürgerschaftliches Engagement zeugten von Harmonie und gegenseitiger Abhängigkeit in allen Lebensbereichen.
    Der Strom der Flüchtlinge riss nicht ab, und die Berichte von den Torturen, die die Menschen hatten überstehen müssen, wurden immer entsetzlicher. Wir fingen an, uns voller Angst zu fragen, ob wir nicht in der Falle saßen. Trotzdem setzten wir unser normales Leben fort, vielleicht zogen wir es vor, jegliche Gedanken an die schreckliche Zukunft, die uns möglicherweise bevorstand, zu unterdrücken - als wären die schrecklichen Ereignisse im Nachbarland ein Problem, das uns nicht betraf. Die slowakischen Juden weigerten sich zu glauben, was sie hörten. Deshalb unternahmen sie nichts, um sich auf das vorzubereiten, was schließlich - allen Beschwichtigungen zum Trotz - passierte. Selbst vor den Verfolgungen in Polen waren Juden aus Deutschland und Österreich vertrieben worden, aber die Juden in unserer Gegend waren

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