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Weinland & Stahl

Weinland & Stahl

Titel: Weinland & Stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bad Blood 01 - Das Blut der Nacht
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ging.
    Vielleicht half ihm auch noch etwas anderes dabei, nicht schlichtweg durchzudrehen angesichts dieser Kreaturen, die menschlicher Schöpfungswahn missgeboren hatte: Die Ahnung nämlich, dass an diesem Ort noch furchtbarere Vergehen wider die Natur begangen wurden.
    Dort unten, am Ende des Ganges. Jenseits der Metalltür, hinter die Landon Mulgrew noch nie einen Blick geworfen hatte.
    Er wusste nur, dass ihr freundlicher pastellfarbener Anstrich in grauenhaftem Widerspruch zu dem stehen musste, was dahinter geschah.
    Jeder Anblick, der sich ihm jenseits der einzelnen Spezialglasscheiben bot, war furchtbar. Einen jedoch empfand Landon Mulgrew noch als ein ganzes Stück schrecklicher.
    Vielleicht, weil das Ding dort weniger
Ding
war als die anderen. Weil erkennbar war, was es einmal gewesen war – oder was es hatte werden sollen...
    Landon Mulgrew fühlte sich von den Augen – diesen entsetzlich
normalen
Augen in dem rohen, entzündeten Fleisch und nacktem Muskelgewebe – angestarrt. Das Ding, das kein
Ding
war, sprach mit diesen Augen, weil ihm der Mund fehlte. Und es sprach nicht einfach, es schrie. Es brüllte!
    Um Hilfe.
    Hilfe, die Mulgrew dem Wesen auch heute verweigerte.
    Er tat, was er immer tat. Wofür er bezahlt wurde. Was sein Job war.
    Er verlängerte die Leiden der Kreatur, indem er die elektronisch geregelte Nährstoffzufuhr über die Tastatur seitlich der Scheibe kontrollierte und neu regulierte.
    Bevor er dem Blick der brüllenden Augen ein weiteres Mal begegnen konnte, wandte Mulgrew sich stöhnend ab. Mit geschlossenen Lidern lehnte er sich gegen die Mauer zwischen zwei Glasfronten.
    Manchmal träumte er davon, dass ihn von jenseits der Scheibe ein Augenpaar anstarrte, das er
kannte
. Und stets setzte der Alptraum sich damit fort, dass er nach Hause raste – und eines der beiden kleinen Betten neben seinem und Gladys' Schlafzimmer leer war. Weil es Nellys oder Benjis Augen gewesen waren, die er zuvor im Institut hinter der Scheibe gesehen hatte...
    Allein die Erinnerung an den Alptraum genügte, um bittere Galle Landon Mulgrews Speiseröhre hochsteigen zu lassen.
    Er fragte sich, was geschehen würde, wenn er die Nahrungszuleitung einfach unterbrach. Wenn er dem
Ding
gab, wonach es stumm brüllend verlangte. Wenn er es endlich sterben ließ...
    Er stellte sich die Frage nicht zum ersten mal. Und die Antwort, die er sich gab, war auch heute dieselbe.
    Es würde nicht damit enden, dass er nur seinen Job verlor.
    Dazu wusste er zu viel. Man würde dafür sorgen, dass er es nicht erzählen konnte...
    Wie immer, wenn seine Gedanken soweit gediehen waren, sah Landon Mulgrew hinunter zu der Metalltür am jenseitigen Ende des Flurs.
    Und wie immer hoffte er im stillen, dass sich dahinter irgendwann einmal erheben mochte, was auf so widernatürliche Weise geschändet und missbraucht wurde. Erheben gegen jene, die ihm das antaten.
    Wenn es nur nicht gerade in seiner Schicht geschah...
     
     
    »Doreen, es ist – phantastisch. Obwohl ich es vor mir sehe, kann ich es kaum glauben. Und du weißt, ich habe schon eine ganze Menge unglaublicher Dinge gesehen. Ich wünschte, du könntest es mit deinem Auge sehen. Du würdest mich verstehen...«
    Dr. Selina Maddox strich mit dem rechten Zeigefinger über ihren weißen Laborkittel, zärtlich kreisend auf Höhe des Nabels. Und sie hielt nicht inne darin, die Stelle sanft wie den Kopf eines kleinen Kindes zu streicheln, als sie wie im Selbstgespräch fortfuhr:
    »Noch nie habe ich erlebt, dass sich ein Objekt so rasch entwickelt wie dieser Bursche. Er scheint in den vergangenen vierundzwanzig Stunden das Endstadium seines Reifeprozesses erreicht zu haben. Obwohl er dem Tode näher schien als dem Leben, als sie ihn vor drei Wochen zu mir brachten.
    Es ist ein Wunder. Ich weiß, Doreen, ich habe dir gegenüber schon oft von Wundern gesprochen, die ich selbst geschaffen habe. Aber dieses hier ist... anders. Bisher hatte ich für alles, was ich tat und was unter meiner Obhut geschah, eine Erklärung. Doch diesmal scheinen Dinge mitzuwirken, auf die ich keinen Einfluss habe. Es ist, als hätte dieser Prachtkerl hier einen eigenen Überlebenswillen!
    Oh, ich wünschte, ich könnte eintauchen in ihn, um ihm seine dunklen Geheimnisse zu entreißen. Aber ich darf es nicht.
Sie
würden sonst mit mir dasselbe tun wie mit Brescia Lords. Ich möchte aber ich selbst bleiben. Ich will wenigstens
sehen
, was hier vorgeht. Vielleicht bietet sich später eine Gelegenheit, es

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