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Weinland & Stahl

Weinland & Stahl

Titel: Weinland & Stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bad Blood 01 - Das Blut der Nacht
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Reiz, der wunderbaren Ästhetik dieses Geschöpfes nicht vollends entziehen.
    Seine Haut war makellos und von aristokratischer Blässe, stellenweise noch mit Resten des Nährbreis bedeckt, in dem er geruht hatte. Die winzigen Einstiche der Sonden, über die seine Körperfunktionen gemessen worden waren, hatten sich geschlossen. Seine Statur erinnerte Henna in nichts an jene Jünglinge, mit denen sie sich manchmal die Zeit vertrieb. Dieses Wesen wirkte auf seltsame Weise weder kräftig noch schwach, und doch strahlte es eine Stärke aus, die Henna fast spürbar vorkam. Sein Gesicht schien dem Werk eines Bildhauers nachempfunden, der kein eigentliches Modell, sondern nur den Inbegriff klassischer Anmut vor Augen gehabt hatte. Und das lange, noch feuchte Haar schien Henna von der Farbe des Blutes ihrer Rasse, schwärzer noch als schwarz...
    Sein einziger Makel war die Geschlechtslosigkeit, dachte Henna bedauernd. Die Stelle, an der sich bei Menschen die Genitalen befanden, war bei ihm puppenhaft glatt.
    Eine Bewegung lenkte die Vampirin ab. Selina hatte die Schale über dem Kopf des liegenden Geschöpfs aufgehängt und breitete nun die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen –
    – und stieß Tore auf, die reiner Wissenschaft ewig verschlossen bleiben würden.
    Selina drang kraft ihres Geistes in magische Bereiche vor, zog Kräfte aus dem Verborgenen, formte sie und ließ sie fließen.
    Die Vampirin spürte die Veränderung im Raum, ohne sie benennen zu können. Es wurde weder kälter noch wärmer, sondern – beides zugleich. Die Luft veränderte sich zu etwas nie Gekanntem, von lautlosen Geräuschen erfüllt.
    Selina erbebte, als unirdische Kräfte sie als Medium nutzten, um hierher zu gelangen.
    Das in der Schale aufgefangene Blut begann zu brodeln!
    Gebannt starrte Henna auf den dünnen Faden, der sich über den Rand der Schale ergoss und, sich der Schwerkraft widersetzend, unendlich langsam niederschwebte, bis er sein Ziel fand.
    Die Stirn des Homunkulus'.
    Das Blut begann kaum hörbar zu zischen, warf winzige Bläschen wie ätzende Säure. Lider, die nicht einfach nur geschlossen, sondern noch miteinander verwachsen waren, wurden getrennt. Schwarzes Blut öffnete dem Homunkulus die Augen, ließ ihn das Licht einer Welt erblicken, die nun – endlich! – auch die seine war.
    Die Lider hoben sich, nicht zaghaft flatternd, sondern wie hochschnellende Jalousien, und die Augen darunter – die Iris so schwarz, dass sie pupillenlos schienen – blickten nicht wie die eines aus langem Schlaf Erwachenden, sondern klar und aufmerksam, als sei das Wesen längst wach gewesen.
    Das Werk des Vampirblutes indes war noch nicht vollendet. Auch die Lippen des Geschöpfes öffneten sich und gaben den Blick frei auf die augenfälligsten Merkmale, in denen sich die neue Rasse nicht von der Alten unterschied: Spitze Augzähne ragten aus dem Oberkiefer.
    Schließlich hob und senkte sich die bleiche Brust unter einem ersten selbstgeführten Atemzug.
    »Es lebt«, stöhnte Henna, als hätte sie bis zuletzt daran gezweifelt, dass es einen Vampir aus der Retorte geben konnte. Selbst überrascht von ihrer Reaktion lauschte sie in sich hinein, forschte nach einem Empfinden, das von Freude über das geglückte Experiment kündete. Doch sie fand nur –
    – den schwachen Widerhall von Homers düsterer Prophezeiung, die er vor wenigen Stunden erst ausgesprochen hatte.
    Diese neue Rasse wird nichts mit der unseren gemein haben ... vielleicht wächst sie uns eines gar nicht fernen Tages über den Kopf, erhebt sich gegen uns. Womöglich beschleunigt Borak das Ende unseres Volkes nur, indem er glaubt, es neu entstehen zu lassen.
    Fast unbewusst musterte sie den noch immer reglos daliegenden Körper mit Blicken, als suchte sie nach einer erkennbaren Bestätigung von Homers Worten. Doch da war nichts, was ihr Misstrauen verdient hätte. Der Homunkulus wirkte in seiner Tatenlosigkeit und seiner Nacktheit regelrecht harmlos.
    Henna gab noch nicht nach, tauchte ein in den Blick dieser schwarzen Augen, die wie finstere Schlünde in das Weiß der Augäpfel und tiefer reichten. Doch auch hier fand sie nichts.
    Nichts – außer dem Echo eines Gefühls, das sie selbst kannte.
    Durst.
    Unsäglichen Durst.
    Henna löste sich aus dem noch leeren Bewusstsein des neuen Vampirs und sah zu Selina hin.
    Die Wissenschaftlerin hatte sich aus ihrem tranceähnlichen Zustand gelöst, erwiderte nun Hennas Blick, doch die Vampirin missverstand das

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