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Weinland & Stahl

Weinland & Stahl

Titel: Weinland & Stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bad Blood 01 - Das Blut der Nacht
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den Schrei der Fledermaus gehört, er hätte ihn unweigerlich für das schrille Lachen eines Wahnsinnigen gehalten.
     
     
    Jacob Flannagan schlich wie ein Dieb durch die düsteren Gänge von
Saint Catherine's
. Und er änderte sein Verhalten auch nicht, als er sich dessen bewusst wurde. Er konnte einfach nicht anders, als fast auf Zehenspitzen zu schleichen, obwohl nicht die Gefahr bestand, dass ihn jemand hörte. Denn der Schrei des Kindes hätte wohl selbst den Schlag einer Glocke übertönt.
    Das Gebrüll, fordernd und wütend, schmerzte beinahe in den Ohren, und der Geistliche erlaubte sich ein erleichtertes Seufzen, als es endlich verstummte.
    Zur Orientierung brauchte er den Schrei nicht mehr. Er kannte die Richtung inzwischen, und um eine Gangbiegung herum hatte er drei Nonnen in einer Kammer verschwinden sehen, so dass er vermutete, dass das Kindlein wohl dort zu finden war.
    Flannagan lauschte und beobachtete noch eine halbe Minute, und dabei fiel ihm erneut etwas auf:
    Wohin er auch sah, er entdeckte nirgends Reliquien ihres gemeinsamen Glaubens. Kein Kruzifix zierte mehr die Wände, kein Heiligenbild. Und obwohl er natürlich nicht wusste, wo früher einmal etwas gehangen hatte – dazu hielt er sich zu selten in
Saint Catherine's
auf –, war doch nicht zu übersehen, dass die Reliquien offenbar von den Wänden abgenommen worden waren. Hier entdeckte er auf dem Wandputz eine hellere Stelle in der Form eines Kreuzes, und dort drüben ragte noch ein Nagel hervor, der ein Bild gehalten haben musste...
    "Großer Gott, was geschieht hier nur?" flüsterte er tonlos.
    Als sich nach einer Weile niemand mehr der Kammer näherte und darin verschwand, trat er aus den Schatten hervor und ging auf die Tür zu. Er wollte schon die Faust heben, um anzuklopfen, als er doch noch einmal innehielt und ein weiteres Mal lauschte.
    Hinter der Tür klangen Stimmen auf, doch der Monsignore verstand nicht, was sie sprachen. Er konnte Frauen kichern hören, und für einen Moment war ihm, als würde das Geräusch ihn regelrecht einlullen. Als wollte es ihn vergessen lassen, weswegen er überhaupt hier stand.
    Und fast kam es auch so.
    Im allerletzten Moment, bevor er sich umdrehte, um zu gehen, verschloss Flannagan die Ohren vor den wortlosen Einflüsterungen. Er verzichtete darauf zu klopfen, öffnete die Tür –
    – und brachte es nicht fertig, einzutreten.
    Was er sah, lähmte ihn.
    Der Anblick hatte zwar nichts wirklich Erschreckendes, aber er war an einem Ort wie diesem so ungeheuerlich, dass er schockierend wirkte.
    Nahezu alle Schwestern des Ordens, und unter ihnen auch die Ehrwürdige Mutter, schienen sich in dieser Kammer versammelt zu haben. Sie umringten das Bett wie einen Altar. Und darauf saß eine weitere Schwester. Nackt und mit einem Baby im Arm, das sichtbar gierig an ihrer Brust saugte. Das Schmatzen und Schlürfen, das er eigentlich doch kaum hören konnte, dröhnte plötzlich in Flannagans Kopf, als entstünde es nicht mindestens drei Meter von ihm entfernt, sondern direkt in ihm.
    Niemand sprach ein Wort. Und es schien auch niemand überrascht oder gar erschrocken über das Erscheinen des Geistlichen. Im Gegenteil sahen ihm die Nonnen entgegen, als wollten sie ihm bedeuten, sich mit ihnen an der Szene zu erfreuen.
    Und die Mutter des Kindes – Flannagan wusste einfach, dass es ihr Kind war! – lächelte ihm gar in einer Weise zu, dass er sich nicht gewundert hätte, wenn sie ihn in der nächsten Sekunde gefragt hätte, ob er den Kleinen einmal halten wollte.
    Scharf sog der Monsignore den Atem ein, und erst jetzt fiel ihm der seltsame Geruch auf. Es roch hier nicht wie in den anderen Kammern – nach altem Holz, Stein und Kerzenrauch. Aber es roch auch nicht so, wie man es von Räumen her kannte, in denen Neugeborene waren.
    Es stank nach – ja, wonach eigentlich? Nach etwas Altem, nach Verrottung, nach Fäulnis?
    Flannagan verbannte den Gedanken.
    "Ehrwürdige Mutter", stieß er statt dessen hervor, "ich habe mit Euch zu reden."
    Die Oberin wandte ihm den Blick zu, lächelnd, und zeigte auf den kleinen Jungen, den Flannagan kaum für älter als höchstens eine Woche hielt.
    "Geduld, Monsignore", sagte sie ruhig, "lasst uns erst noch eine Weile an diesem Wunder teilhaben, das uns geschenkt wurde."
    "Sofort!" zischte Flannagan und schlug die Tür zu.
    Ein Wunder!
    Jacob Flannagan knurrte verächtlich und verärgert zugleich.
    O ja, ein Wunder würde die Ehrwürdige Mutter erleben.
    Und was für

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