Weinland & Stahl
kamen – auch wenn sie Meilen voneinander entfernt waren, empfingen sie jenen Todesimpuls, der nicht nur den Zweck einer Nachricht hatte, sondern vielmehr Warnung war vor etwas, das der Alten Rasse gefährlich werden konnte.
Die Botschaft erreichte nicht jeden Vampir. Aber doch viele. Sehr viele. Und die meisten von ihnen, wenn sie irgendwie noch in der Lage waren, die nötige Kraft zu sammeln, machten sich auf den Weg.
Auf den weiten Weg in den östlichsten Staat der USA.
Wahre Pilgerströme formierten sich.
Ihrer aller Ziel war die Wiege des Messias ihres sterbenden Volkes.
Und ihre Triebkraft war Hoffnung.
Heaven befand sich exakt 411 Meter über den Straßen von New York. Am höchsten Punkt der Stadt, auf der Aussichtsplattform der Twin Towers des World Trade Centers.
Zu dieser Stunde waren die Gebäude für die Touristenströme geschlossen, doch Heaven hatte sich noch nie auf so etwas Profanes wie Aufzüge oder einfach nur offene Türen beschränken müssen. Sie war aus der Nacht über New York gekommen, und sie würde wieder darin verschwinden, wenn sie sich sattgesehen hatte an dem scheinbar endlosen Lichtermeer zu ihren Füßen.
Das nie enden wollende Treiben tief unter ihr gab ihr das Gefühl, nicht allein zu sein, die trügerische Gewissheit, sich jederzeit mitten hinein in dieses Leben stürzen zu können, um ein Teil von ihm zu werden. Und zugleich fand sie hier oben die Ruhe, um nachzudenken. Um zu überlegen und zu planen, was aus ihr werden sollte...
Zwei Seelen stritten nach wie vor in ihrer Brust.
Die eine, die menschliche, verlangte nach Geborgenheit. Nach einem Ort, der zumindest
etwas
wie ein Zuhause sein musste, der Geborgenheit verhieß und an den es sich immer wieder zurückzukehren lohnte. Eine Situation, wie Heaven ihn bei ihrer früheren Freundin Beth gefunden hatte.
Aber das war in einem anderen Leben gewesen.
Und bevor sie selbst Beth mit ihren eigenen Händen getötet hatte...
Heaven schloss die Augen.
Ein anderes Leben das war in einem anderen Leben das war nicht ich nicht ich NICHT ICH!
Sie konzentrierte sich, versuchte sich zu sammeln, doch es dauerte eine Weile, bis Beth MacMoores anklagender Blick vor ihrem geistigen Auge wenigstens um so viel verschwand, dass andere Gedanken daneben Platz hatten.
Das Vampirische in Heaven widersprach dem, was sein Kontrapart wollte. Ihre Lage, so bedeutete es ihr, ließ es nicht zu, dass sie sich irgendwo etwas wie ein Heim schaffte. Sie war zur Rastlosigkeit verdammt, so lange, bis ihre Mission erfüllt war. Und das konnte sehr, sehr lange sein. Lange genug, dass ein Menschenleben nicht dafür reichte.
Heaven öffnete ihre Linke und sah hinab auf das fledermausförmige Tattoo, das sich auf der Handfläche abzeichnete. Sie wusste inzwischen, dass es so lange dort zu sehen sein würde, wie es noch Vampire auf Erden gab. Erst mit dem Tod des letzten Blutsaugers würde es erlöschen. Und erst dann würde auch die Stimme des Vampirischen, der Jägerin in ihr auf ewig verstummen.
Sie hoffte es wenigstens.
Auch wenn sie im gleichen Zuge kaum Hoffnung hegte, diesen Moment je zu erleben.
Denn jede Konfrontation mit einem Vampir bedeutete für sie, den eigenen Tod zu provozieren.
Und irgendwann würde sie der Herausforderung nicht mehr gewachsen sein. Oder ihren Meister finden.
Wong Chan war es nicht gewesen.
Und auch keiner seiner Gefolgsleute, die sich Heaven entgegengestellt hatten, als sie den Todesimpuls empfangen und damit erfahren hatten, dass jemand ihren Anführer getötet hatte.
Heaven hatte einige von ihnen Wong Chan nachgesandt, wohin dessen schwarze Seele auch immer gegangen sein mochte. Die ausgemergelten, von Verwesung gezeichneten Chinatown-Vampire konnten ihr allenfalls durch ihre Überzahl gefährlich werden. Doch bevor es dazu hatte kommen können, war sie verschwunden.
Natürlich hatte sie bemerkt, dass man in den folgenden Tagen nach ihr gesucht hatte. Und sie war sicher, dass sie mit anderen Sippenführern, die es in dieser Stadt noch geben musste, kein so leichtes Spiel haben würde. Die Blutsauger waren gewarnt, und sie würden sich nicht von ihr täuschen lassen.
Aber die ganze Aktion hatte ihr auch deutlich gemacht, dass sie es sich nicht erlauben konnte, ihr Bedürfnis nach Nähe, nach Schutz und Geborgenheit und nach Liebe auf Dauer zu stillen. Sie durfte niemanden dieser Gefahr aussetzen, in der sie fortan immer schweben würde.
Wer immer auch an ihrer Seite wäre, er würde zum bevorzugten
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