Weinland & Stahl
Opfer der noch verbliebenen Vampire werden. Denn irgendwann würden die Blutsauger wohl zur gemeinsamen Jagd auf sie blasen. Spätestens dann, wenn sie begriffen,
weshalb
es Heaven überhaupt gab.
Ein schluchzender Laut tropfte wie eine Träne von ihren vollen Lippen.
Alle Überlegungen brachten keine wirkliche Lösung. Egal, wie Heaven sie ordnete und miteinander verknüpfte, sie führten nur immer wieder zu einem Ergebnis: dass sie nichts, gar nichts tun konnte außer ihrer Bestimmung zu gehorchen.
Dass sie das Leben führen musste, zu dem ihre Mission sie zwang. Ein Leben, das nicht lebenswert sein sollte, sondern nur Strafe. Strafe für all das, was sie in ihrem vorherigen Leben angerichtet hatte und an Schuld auf sich geladen hatte.
Eine Schuld, die sie nur vielleicht und mit sehr viel Glück abtragen konnte.
Und mit etwas Gottvertrauen vielleicht...
Ein kleines Lächeln huschte bei dem Gedanken, der nicht einer gewissen Ironie entbehrte, über ihr Gesicht.
Aber es gefror in ihren Zügen zu einer Grimasse, als sie den Blick hob, um sich der geradezu riesigen Silberscheibe des Mondes zuzuwenden, in dessen milchigem Licht sie ein kleines bisschen Trost und Kraft zu finden hoffte.
Vielleicht hätte sie es nicht einmal bemerkt, wenn sie auch nur ein paar Minuten später hingesehen hätte.
Vielleicht hätte sie die dunklen Punkte dort auch nur für einen gewaltigen Vogelschwarm gehalten.
Aber sie sah
jetzt
hin, genau in dem Moment, da die schwarzen und sich bewegenden Tupfen am Rund des Mondes vorüberzogen.
Und sie erkannte sie als das, was sie waren.
Fledermäuse!
Eine fast unzählbare Schar, die keinen Anfang zu haben und kein Ende zu nehmen schien. Beides verschmolz mit dem dunklen Firmament. Nur im Gegenlicht des Erdtrabanten waren sie zu sehen.
Obwohl sie die Fähigkeit, Vampire zu erspüren, eingebüßt hatte, wusste Heaven, dass es sich bei den Fledermäusen dort nicht um gewöhnliche Tiere handelte.
Es waren ohne jeden Zweifel Vampire, die dort als gewaltiger Schwarm über den Himmel zogen, alle in nordwestlicher Richtung.
Wohin?
Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.
Sie kostete Heaven nicht mehr als ein Auszuschweißen Konzentration.
Und wenig später war sie Teil des flatternden Schwarmes.
Wenn sie sich auch ganz an seinem Ende hielt.
"Er ist schon gewachsen, nicht?"
Die Ehrwürdige Mutter saß auf der Bettkante und streichelte das dunkle, flaumige Haar des Kindes, das sich davon jedoch nicht beirren ließ und weiter an der Brust seiner Mutter saugte.
Rebecca sah kurz in Mariahs Gesicht und entdeckte darin auch jetzt jene seltsame Mischung aus Glückseligkeit und süßem Schmerz, und inzwischen wusste sie auch, was der Freundin wehtat.
Dutzende kleiner Grinde waren mittlerweile auf den Höfen ihrer Brustwarzen zu sehen, und mit jedem Mal, dass sie ihr Kind stillte, kam eine neue kleine Wunde hinzu.
"Ja, er ist schon richtig groß geworden, unser Kleiner", sagte Rebecca nach einer Weile und fasste spielerisch nach einem der beiden Füßchen, die wohlig strampelten.
"Er wächst schnell", stellte die Ehrwürdige Mutter fest.
Viel zu schnell
, wollte Rebecca automatisch sagen, doch die Worte verwehten in ihr, lange bevor sie ihren Lippen auch nur nahegekommen waren.
Mariah nahm den Jungen von der linken Brust, drehte ihn in ihrem Arm und setzte ihn an die rechte. Im Moment, da er sich festsaugte, verzog sie wieder das Gesicht, doch schon im nächsten Moment übertünchten ihr Lächeln und das Strahlen ihrer Augen allen Schmerz.
"Er muss ein großer Junge werden", sagte sie nach einer Weile. "Schließlich erwartet ihn eine große Aufgabe."
"Möchtest du uns von dieser Aufgabe erzählen?" fragte die Ehrwürdige Mutter.
"Ja, bitte, tu's doch", fiel Rebecca mit ein.
Mariah lächelte hintergründig.
"Ich würde es gern. Doch die wahre Größe dieser Aufgabe ist auch mir nicht bekannt."
Einen Augenblick lang schien es, als lauschte sie einer Stimme, die nur sie hören konnte. Und dann fuhr sie in verändertem und bestimmendem Tonfall fort: "Wir müssen dem Kind einen Ort schaffen, der größer ist als diese Zelle."
"Warum?" fragte die Oberin.
"Weil Besucher kommen werden, um es zu sehen. Und diese Kammer ist bei weitem nicht groß genug, sie alle zu fassen."
"Besucher?" hakte die Ehrwürdige Mutter nach.
"Hat es mit jenem zu tun, der neulich hier auftauchte?" erinnerte sich Rebecca an den Besuch des Vampirs.
Mariah nickte.
"Ja. Es werden mehr von seiner Art
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