Weinzirl 03 - Kuhhandel
sich
irrt, wenn man umherirrt. Und ohne Zerstörung gibt es niemals Hoffnung. Das
müssen meine Tochter und meine Enkelin noch lernen anzunehmen. Ich habe
erfahren, dass nur einer den ganzen Weg mit mir geht: Das bin ich selbst. Ich
vermisse Svenjas kluge Ruhe. Und sie soll sich wirklich umgebracht haben?«
Was Gerhard jetzt
tat, war gegen jede Regel. Aber er erzählte von Dr. Ostheimer und der
Ochsendoping-Geschichte und schloss, dass all diese Annahmen aber nur dann Sinn
machten, wenn Svenja tatsächlich Geld benötigt hätte. »Aber sie hatte dank
Ihnen doch gar keine Geldsorgen.«
Frau Weigand blickte
eine Weile über den Biergarten in die Landschaft und wandte sich dann Gerhard
zu. »Sie können sich hundertprozentig sicher sein, dass Svenja niemals Tieren
Leid zugefügt hätte. Und so sie es denn gewusst hat, hätte sie versucht,
solchem Treiben einen Riegel vorzuschieben.«
Gerhards Gedanken
schlugen Kapriolen, Jos Gesicht huschte vorbei. »Glauben Sie denn, dass Dr.
Ostheimer von Ihrer Schenkung wusste?«
»Das glaube ich
nicht. Svenja war sehr dezent. Gewusst hat das eigentlich nur …«, ein Schatten
huschte über ihre Augen, »ja, gewusst hat das nur meine Enkelin.«
»Und die war nicht
erfreut?«, fragte Gerhard vorsichtig.
»Nein, und um
deutlicher zu werden: Sie hat gerast, einer Furie gleich. Dabei erbt sie nun
wirklich genug. Aber meine Enkeltochter ist eine Krawallfrau. Sie hat mich mit
einem Buch beworfen.« So, wie Frau Weigand das sagte, empfand sie es als
ungeheuerlich, der Oma gegenüber eine solche Respektlosigkeit walten zu lassen.
Und es schien ihr auch ungeheuerlich zu sein, Büchern gegenüber so respektlos
zu sein.
»Hatte sie denn Kontakt
zu Svenja?«
»Ja, hatte sie. Sie
hat Svenja erst telefonisch beschimpft, sie hat ihr vor der Wohnung
aufgelauert, und sie hat – nun, Sie erfahren es ja sowieso – einen
Schlägertrupp zu Svenja geschickt. Zwei Jungs mit Schlagringen, die Svenja
einschüchtern sollten. Karina war dabei.«
Gerhard riss die
Augen auf. »Frau Weigand, Sie wissen schon, was Sie da sagen?«
»Ja, das weiß ich.
Aber ich kann mich nicht ewig schützend vor Karina stellen. Sie ist alles
andere als dumm. Sie sieht die Stricke wohl, einen, noch einen. Aber sie
wundert sich dann, dass es kein Entkommen gibt.«
Gerhard war mehr und
mehr fasziniert von dieser Frau. Auch gefordert, denn ihre Art zu sprechen war
so durchdacht, vor allem aber durchseelt, dass er auf eine positive Art
erschüttert war.
»Ist Svenja denn
etwas zugestoßen?«
»Nein, Svenja war
auch nur minder beeindruckt. Zumal sie den Hund ihres Chefs dabeigehabt hatte,
und der mag es gar nicht, wenn Menschen, die unter seinem Schutz stehen,
angegriffen werden. Er hat das einem der Jungs wohl ziemlich deutlich gemacht –
mit einem Biss ins Handgelenk. Svenja hat mir von der Szene erzählt, und
glauben Sie mir: Weniger wegen sich als wegen Karina. Sie war der Meinung, dass
Karina da in wirklich schlechte Kreise abrutscht. Ich habe versucht, mit Karina
zu reden – nun ja, zumindest flog kein Buch –, aber sie war völlig verstockt.
Ich habe ihr dann angedroht, den Geldhahn zuzudrehen. Das hat sie geläutert.«
Das klang nun zum ersten Mal wirklich bitter.
»Und glauben Sie,
Ihre Enkeltochter hat die Sache dann auf sich beruhen lassen?«
»Nein, das glaube
ich leider nicht.«
Sie erhob sich
anmutig, und Gerhard wusste, dass das Gespräch beendet war. Er wusste auch,
dass sie ihm in stummer Übereinkunft freie Hand gegeben hatte für sein weiteres
Vorgehen. Und obwohl das Bohren in unangenehmen Dingen sein Job war und
Rücksichten auf Gefühle von Angehörigen nun mal Luxus und unangebracht, war
Gerhard froh, dass sie ihm sozusagen ihren Segen gegeben hatte. Egal, was er
entdecken würde.
Frau Weigand war in
die Küche gegangen, plauderte ein wenig mit der Seniorchefin, und schließlich
saßen sie und Gerhard wieder im Cabrio. »Frau Weigand, noch eine Frage: Was
passiert denn jetzt mit dem Klinikprojekt, nachdem Svenja tot ist?«, fragte
Gerhard.
»Nun, ich habe Kontakte
zu Frau Ostheimer geknüpft. Feine Fäden, kaum sichtbar, wenn Sie verstehen, was
ich meine. Svenjas Leiche ist ja noch nicht freigegeben. Sie hat aber sicher
ein Testament gemacht, und ich habe da so eine Ahnung …«
Während der rasanten
Fahrt talwärts hatte Gerhard das Gefühl, dass dieser Song »It’s a men’s world« lange nicht mehr stimmte. Wo waren sie hin, seine Klischees von den
stutenbissigen Weibern? War es
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