Weinzirl 03 - Kuhhandel
Unterlagen, und nur allzu gerne würde ich den Leiter
dieser Filiale sprechen.« Gerhard lehnte sich entspannt zurück.
Bürscherl
entschuldigte sich und kehrte nach einigen Minuten mit einem älteren Mann im
Schlepptau zurück, der mehrere Ordner dabeihatte. Nun, was Gerhard erfuhr, war
ein Lehrstück dafür, wie gut man auf einer Schleimspur die Balance halten
konnte, wenn man daran gewöhnt war. Die Essenz des Gesprächs war letztlich,
dass Svenja vermittelt hatte, eine Erbschaft erhalten zu haben, und, wie sagte
der Herr Filialleiter so überaus nonchalant: »Die Dame war im mittleren Alter,
sie hatte eine Festanstellung, was hätte ich da prüfen sollen?«
Heilfroh waren sie
gewesen, die alte Hofstelle letztlich verkauft zu haben, dachte Gerhard. Diese
Säcke! Das Ding hatte zwei Jahre leer gestanden, und Svenja hatte immer noch
zweihundertzwanzigtausend Euro dafür bezahlt. Ganz schön viel Holz für den
Schuppen, auch wenn einige Hektar Grund dazu gehörten. Aber bitte: Kein
Bauerwartungsland, teilweise Wiesen in Steillagen, wer band sich so was schon
ans Bein?
»Nun, ist es nicht
so, dass Sie sehr genau wussten, dass die Dame mehr Ausgaben als Einnahmen
hatte?«, fragte Gerhard so zuckersüß, dass diese Worte auch dem Filialleiter
pappig aufstoßen mussten.
Er nahm den Ton auf.
»Sicher, aber da befindet sie sich in allerbester Gesellschaft, Herr Weinzirl.«
Dann lächelte er süffisant. »Außerdem bekam ihr Konto ja von Zeit zu Zeit immer
mal wieder eine Auffrischung.«
»Genau, und da
möchte ich jetzt gerne wissen, wo diese Frischzellenkur herkam?«
»Das kann ich Ihnen
sagen. Moment. Kommen Sie mit.«
Gerhard folgte ihm
in sein Büro. Dort tippte er in seinem Computer herum und schob sich dann die
Brille affektiert auf die Nasenspitze.
»Eine Anwalts- und
Steuerkanzlei in Lindau. Meckle, Meckle und Partner. Bitte, hier ist die Adresse.
Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe einen Termin im Gemeinderat.«
Der Filialleiter erhob sich und streckte Gerhard die Hand hin.
Sollte er ihm jetzt
den Ring küssen?, fragte sich Gerhard. So eine großspurige Geste! Gemeinderat!
Ja, genau, da gehörst du hin – zu den anderen Schacherern, zu den Honoratioren,
die immer weich in einem sozialen Netz aus beredtem Schweigen abgefedert
wurden. Was für eine Scheiße!
Als Gerhard draußen
wieder bei seinem Auto war, warf er die Tür seines Busses so ungehalten zu,
dass die ganze Rostlaube erbebte. Und als er wieder in Kempten angekommen war,
war er alles andere als gut gelaunt.
Evi schien auch
nicht gerade von sprühender mitreißender Lebensfreude erfüllt zu sein. Sie
begrüßte ihn frostig und leierte ihre Erkenntnisse runter wie in einem
Schulreferat, das sie auswendig gelernt hatte. Elvira Weigand war
fünfundsiebzig Jahre alt, ihr Mann war vor fünf Jahren gestorben. Die Firma
hatten beide bereits vor zehn Jahren an einen finnischen Konzern veräußert, Kaufsumme
4,3 Millionen Euro. Die einzige Tochter der Weigands war nach dem Tod des
Vaters mit zwei Millionen Euro abgefunden worden, sie hatte den Verzicht auf
jedes weitere Erbe erklärt und war nach Chile gegangen. Was Elvira momentan
noch besaß, war unklar – klar war aber, dass sie allein von den Zinsen sehr gut
leben konnte. Sollte sie sterben, gab es noch eine erbberechtigte Enkelin
namens Karina, einundzwanzig Jahre alt. Karina wohnte augenscheinlich in
Kempten und jobbte ab und zu in einem Tattoo-Laden. Elvira Weigand lebte
tatsächlich seit zwei Jahren in Waltenhofen, was Evi immerhin einen
persönlichen Kommentar unter der hyperprofessionellen Hülle abrang. »Diese Frau
könnte sich doch wirklich was Besseres leisten.« Ansonsten aber biss sie sich
anscheinend lieber die Zunge ab, als Gerhard zu fragen, weswegen er das
eigentlich alles wissen wollte.
»Danke«, sagte
Gerhard, »und noch eine Frage: Ist dir eine Kanzlei Meckle untergekommen?«
»Ja, durchaus. Das
ist die Kanzlei, die das Vermögen verwaltet und die wohl auch Frau Weigand in
allen Rechtsfragen vertritt.« Evi schien auf eine Erklärung zu warten.
»Danke«, sagte
Gerhard lediglich nochmals und ging zum zweiten Mal heute, ohne Evi
einzuweihen, seiner Wege. Wie fast immer nahm er statt des Dienstwagens den
Bus. Während der Fahrt war ihm unwohl zumute. Altersheime verursachten ihm
stets Übelkeit. Die Fassaden waren oft so nett herausgeputzt, und hinter den
Zimmertüren roch es nach Aufgabe, Depression und jenem paralysierten Starren
aufs Ende, das dann doch oftmals so
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