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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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egal, ob im Allgäu, in Südamerika oder in Tibet. Hirten
     hatten immer schon auf die Signalwirkung solcher Hörner gesetzt, um sich über
     die Täler hinweg zu verständigen. Sie hatten Tiere damit angelockt. Und mit dem
     ihm eigenen Charme verbannte Wegner gerade jetzt so manche Alphorn-Bau-Regel
     ins Reich der Sagen.
    »A Alphorn muas it
     unbedingt bloß meh vom Baum sei, der über zwölfhundert Meter gwachsa isch. Des
     isch a Mythos. Es goht au mit Fichta, dia weiter dunda wachset. Wenn ma a
     Alphorn aus uim Stamm schaffa möcht, sott der Baum a Krümmung homm. Dia kriagt
     r, wenn dr Setzling vom Schnee an Boda na druckt wird und später deam Liacht
     zustrebt.«
    »Und die Sache mit
     den zwölfhundert Metern?«, fragte einer seiner Begleiter.
    »Ja, mei, a eng
     gwachsnes Holz isch für d Musikinstrumentla wichtig. In dr Höh wachset d Beim langsam, d Jahresringe lieget dichter beianand als beim Talholz. Des isch guat
     fir d Klang. Aber mei, heit bauet au mir Alphörner aus zwoi oder drei Trümmer.
     Suscht hängt so a langs Trumm ausm Fenschtar vom Auto naus!«
    Und damit ging sein
     Blick und der der beeindruckten Zuhörer wieder zum Zug.
    »Wie, der hat sieben
     Viecher verloren?«, hakte Jo nach.
    »Ja, ja, ein ganz
     neuer Begriff von Viehscheid, da sind einige dahingeschieden«, mischte sich ein
     verschmitzt aussehender alter Mann mit schlohweißem Haar ein. Er lachte und
     zuckte mit den Schultern. Jo kannte ihn vom Sehen oder besser vom Reiten. Sie
     machte öfter mal größere Touren über den Hauchenberg ins Weitnauer Tal
     hinunter, und als er sie zum ersten Mal an seinem Haus hatte vorbeireiten
     sehen, hatte er den Pferden sofort Wasser angeboten, dann ihr einen
     Holundersaft. In dieser Reihenfolge, erst den Pferden, das hatte Jo imponiert.
     Er bewirtschaftete in Waltrams einen kleinen Hof. Man erzählte sich, dass er
     1945 als Zehnjähriger von einer Allgäuer Familie als Pflegesohn aufgenommen
     worden war. Der Egon Will war ein besserer Landwirt als die Eingeborenen
     geworden. Nur Allgäuerisch sprach er bis heute keins. Bis heute war sein Hof
     picobello, seine Kühe waren immer frisch gestriegelt, und Hörner hatten sie
     auch!
    »So ein Horn ist
     doch eine sehr persönliche Angelegenheit für ein Tier«, hatte er Jo mal erklärt.
    Angesichts von Seppi
     und dessen hornlosen Kühen schüttelte er nochmals den Kopf. »Kein Gefühl mehr
     für die Tiere. Kein Wunder, dass dem so viele wegsterben. Das ist die Scham.«
    »Verreckt, dät i
     saga«, kam aus einer anderen Ecke, und Jo erfuhr, dass die toten Tiere weder
     auf langen Stangen und Zweigen, auf einer Art Trage, zu Tale gezogen worden
     waren, noch dass man sie mit Jeep oder Bulldog transportiert hatte.
    »Der Hubschrauber
     ist geflogen, um die Tiere abzuholen. Dabei ist das ja wohl wirklich kein hochalpines
     Gelände«, wunderte sich einer.
    »Mei, wennd denksch,
     was mir frinar fir a Gfrett ghett hond.« Und es gingen die Geschichten, über
     die Zeiten, als der Weg auf die Alp viele Stunden gedauert hatte, als man
     schwere Gegenstände wie Milchkessel und Butterfass noch mit dem Krotten bergauf
     gezogen hatte. Als man Salz, Kleie, die Hausapotheke für das Vieh,
     Kochgeschirr, Bettzeug, Äxte, Sensen und Rechen hinaufgeschleppt hatte. Und als
     man noch Schweine auf den Alpen hatte, denn auf einer großen Sennalp war
     täglich so viel Molke angefallen, dass davon bis zu vierzig Schweine gemästet
     werden konnten. Damit sie auf dem anstrengenden Weg nicht zu viel Gewicht
     verloren, mussten sie getragen werden.
    »Ja, wenn heute
     einer über einen Menschen sagt, der sei eine fette Sau, fallen mir immer die
     Alpsäue ein. Mensch, die wurden mit jedem Höhenmeter schwerer«, lachte Will.
    »Was waret mir
     zaurackerdürre Buaba, grad amol zwölf, dreizehn Johr, und mir hond dia Saua
     gschloift. Und gschafft von in dr Fria bis in d Nacht nei.«
    Ja, dachte Jo, das
     war noch gar nicht so lang her, dass auf den Galtalpen meist drei Hirten waren
     und unter dem Meisterhirt die Mittel- und die Kleinhirten arbeiteten. Letztere
     fast immer Kinder, denn bis in die 1950er Jahre erlaubte ein so genannter Alpdispens
     ihnen das Fernbleiben von der Schule. Solche Kinder waren der Will oder der
     »Katalog«, ein Mann in Wills Alter, der ständig irgendwelche Jagd-, Forst- und
     Militärkataloge dabeihatte und erklärte, was er sich alles bestellen würde. Es
     kam aber nie zu einer Bestellung, weil er arm war wie eine

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