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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Kirchenmaus!
    »Am schlimmsten war
     es für uns, wenn ein Tier abgestürzt ist. Was haben wir wilde Zäune gebaut an
     gefährlichen Stellen! Also, ich kann sagen, dass mir in zehn Jahren insgesamt
     nur fünf Viecher verstorben sind. Und da kommt einer wie dieser Sepp und grinst
     auch noch, wenn er in nur einem Sommer sieben verloren hat!«, ereiferte sich
     der Will soeben.
    »I ka dean it
     verputza, außer sau-igla in dr Wirtschaft dienet ka der nix!«, rief der Katalog
     so laut, dass es Seppi wohl gehört hatte. Langsam wandte er sich um und zeigte
     dem Katalog den Stinkefinger.
    Über diesen
     Betrachtungen hatten sie den Scheidplatz erreicht.
    Jo kam noch ein Wort
     von Will in den Sinn, der bemängelt hatte, dass die Tiere oft stundenlang in
     der Hitze des Scheidplatzes ausharren mussten. Sie, die sie doch gerade erst
     aus der ruhigen Alpidylle gekommen waren. »Auch für Tiere gibt’s einen
     Kulturschock«, hatte der Will gesagt. Hier am Scheidplatz hatte Jo Gelegenheit
     ...
    Und Jo hatte
     nochmals Gelegenheit, Seppi zu betrachten. Er übergab die Tiere den Besitzern,
     wovon einer ein geldiger Hobbylandwirt aus Lindau war – wie der Katalog
     grummelte – und der andere ein Tierarzt aus Pfronten. Als ob es in Pfronten
     keine Alpen gäbe.
    Jo war wie elektrisiert.
     Ostheimer, klar! Der war selbst aber gar nicht gekommen. Das passte alles nur
     zu gut, und nun hatte dieses Doping-Gesocks wahrscheinlich alle Spuren
     verwischt. Wenn doch nur Gerhard den Laptop von Svenja ansehen würde. Sie war
     nahe dran, ihn anzurufen, als Wagner, Will, der Katalog und der ganze
     Eifel-Trupp darauf bestanden, dass die Frau Doktor mit in die Wirtschaft ginge.
     Der Katalog hatte ein neues Werk dabei und schaute mit leuchtenden Kinderaugen
     Jagdmesser an.
    »Des kasch dr it
     leischta, so a arme Bahndammgams wie du!«, kam es vom Nebentisch.
    »Bahndammgams?«,
     fragte der Eifelanführer.
    »Ja, Bahndammgämse.
     Gemeint sind Ziegen von armen Leuten, die keinen Grund hatten und die Tiere am
     kargen Bahndamm weideten«, erklärte Jo und avancierte für den Rest des Abends
     zur Simultanübersetzerin. Als sie dann nach einigen Weinschorlen und Obstlern
     und Beteuerungen, mal einen Besuch in der Eifel zu machen, ins Auto stieg, war
     es kurz vor Mitternacht. Will hatte drauf bestanden, sie zu fahren. Er trank nämlich
     nur Johannisbeer- und Holunderschorle. Er fuhr sie mit ihrem Auto. Er selbst
     war mit dem Rad da, ein uraltes Dreigangungetüm, mit dem er allen Ernstes über
     Sibratshofen, Missen und die Thaler Höhe hergeradelt war. Den Rückweg wollte er
     über Diepolz nehmen und an der Lohwegkapelle vorbeischauen, jener winzigen
     Holzkapelle, die über den Tobel geklebt war wie ein Vogelnest. Der Wanderweg
     hinunter nach Waltrams ging mitten durch sie hindurch. Jo wusste, dass Will
     diese Kapelle liebevoll pflegte. Sie selbst ging da öfter mal hin und zündete –
     verschämt fast – eine Kerze an. Jo hatte immer das Gefühl, dass sie der
     Anwesenheit einer wie auch immer genannten höheren Macht an solchen Plätzen
     leichter nachspüren konnte als im Bombast von Barockkirchen und inmitten von
     Menschen, die mitleierten, was der Pfarrer vorsagte. Ohne die weltlichen
     Vertreter mit all ihren Liturgien und der bigotten Anhängerschaft ließ sich
     Gott entdecken – unter alten Eichen, auf windgepeitschten Gipfeln, an Plätzen
     wie bei der Waldkapelle.
    »Ich bin ein
     Luxusgeschöpf«, riss Will sie aus ihren Gedanken. »Ich habe Zeit, Entfernungen
     so zurückzulegen, dass man sie spürt. Es ist unnormal, über ganze Kontinente
     hinwegzufliegen. Und ich wohne am schönsten Platz der Welt. Auch das ist
     Luxus!«
    Jo seufzte, als er
     gegangen war. Wie schaffte man es, so in sich zu ruhen. Das ist doch einfach,
     schien Mümmel zu denken, die sich aus einem Stapel frischer Wäsche – sie nahm
     nur frische! – eine Höhle gebaut hatte. Moebius hingegen hatte »Bianchis«
     Brotkorb okkupiert, einen Korb, in dem die kleine dünne Katzendame fast schon
     keinen Platz hatte. Aber Moebius faltete sich in die unmöglichsten Behältnisse.
     Ja, von Katzen konnte man Ruhe lernen, auch, wie man auf die eigenen
     Fähigkeiten vertraut. Eben sprang Bianchi aus dem Stand punktgenau zwischen
     zwei dicke Porzellan-Hühner, die auf Jos Schrank thronten. Wie eine Katze
     müsste man seiner Wege gehen können, dachte Jo und kroch ins Bett.

10
    Als Gerhard am
Freitagmorgen erwachte, war es erst sieben.

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