Weinzirl 03 - Kuhhandel
auf!«
Verdammt, dachte
Gerhard. Dominik, der Musterknabe, der Einserabiturient, der in Papas
Fußstapfen treten wollte, war seit Svenjas Tod – und inzwischen war es ein
Mord! – verschwunden. Er konnte mit einem Blasrohr umgehen. Es blieb ihm gar
nichts anderes übrig. Er gab die Fahndung nach Dominik Pflug heraus.
Als die Fahndung
raus war und Gerhard nochmals über die Worte des Pathologen nachgedacht hatte,
musste er wieder an Daktari denken. Der schien ihn zu verfolgen. Er konnte sich
noch gut an eine Folge erinnern, wo der smarte Mann einen wild gewordenen Löwen
mit dem Blasrohr betäubt hatte, dessen Tumor entfernt und das dankbare Tier in
die Freiheit entlassen hatte. Tochter Paula hatte wie immer dekorativ daneben
gestanden. Und am Ende hatte die ganze Familie, der das Drehbuch diese
schauerlich hölzernen Dialoge auf den Leib geschrieben hatte, im Schlussbild
miteinander geplaudert. Und wie immer war dann ein Wackelbild aus Clarence’
Optik gefolgt. Wie durchschaubar, wie herrlich konstant war das gewesen!
Auf dem Weg ins Büro
war er angespannt und verwirrt. Daktari und Fernsehen, das war das eine, er
aber saß hier mit einem Blasrohr-Mörder im Allgäu! Himmel – keine Frage, nun
war es ein Mord. Sosehr er auch den Ärger über die Ochsendoping-Blamage noch
spürte, eine nervige Stimme im Inneren befahl ihm, Jo doch zumindest zu
informieren. Hatte ihr Näschen wohl doch die richtige Witterung aufgenommen.
Über den Blasrohr-Mord – zumindest als Filmtitel hätte das getaugt.
Im Büro angekommen,
schaute er auf die Uhr. Es war 8 Uhr 30, und schließlich, nach mehreren
schwungvollen Umdrehungen auf seinem uralten olivfarbenen Schreibtischstuhl,
der eine Sitzschale hatte fast wie ein alter Aicher, griff er zum Telefon. Zu
Hause bei Jo – der AB . Das Handy –
aus! Und auf einmal wurde er dessen gewahr, dass er Jos Büronummer nicht mehr
auswendig wusste. Der Mensch vergisst schnell – aus Selbstschutz? Verdammt, wo
war sein Notizbuch? Er riss den Hochschrank auf, und da war es. Er wählte die
Nummer – auch hier ein AB , der von
einer Bürozeit ab neun Uhr sprach. Ungehalten warf er den Hörer zurück und das
Büchlein wieder in den Schrank, als sein Blick auf einen Laptop fiel. Er
runzelte die Stirn, nahm den Rechner heraus und stellte ihn auf seinen
Schreibtisch. Er lehnte sich halb zur Tür hinaus und rief in Richtung von Evis
offener Bürotür: »Was ist das für ein Laptop?«
Evi trat aus der
Tür, heute in einer extrem weiten beigen Kargohose, die ihr auf den Hüftknochen
saß, und einem ärmellosen Kapuzenwestchen in Khaki, das sehr eng war und gerade
so weit geöffnet, dass die Gedanken frei waren. Gerhard verbannte solche
Überlegungen erst einmal.
»Was für ein
Laptop?«, fragte Evi.
»Na der, der hier in
meinem Schrank steht. Kenn ich nicht.«
»Keine Ahnung. Frag
doch mal Markus.«
Was Gerhard tat und
was ihn einmal mehr in seine typische »Markus-Verfassung« trieb. Er war schon
mehrmals nahe daran gewesen, Markus zu erwürgen oder wahlweise seine Versetzung
zu erwirken, und doch: Er hätte andererseits ohne Markus bei der Aufklärung des
Funkenmordes verdammt alt ausgesehen. Und Jo wäre wahrscheinlich nicht mehr am
Leben. Markus war eine Katastrophe und ein Geschenk des Himmels zugleich.
Markus, das Unikat – eins aus dem Walsertal, was eh schon viel sagte, dachte
Gerhard wütend, resigniert und amüsiert zugleich. Eigentlich seine Gemütslage
wie immer, wenn es um Markus ging.
Markus berichtete
also in seiner umständlichen Art, dass Jo da gewesen sei und das Gerät
abgegeben habe.
»Scheiße, ich meine,
‘tschuldigung. Ich hab das vergessen. Aber Jo sagte, der sei wichtig, und da
wollte ich den nicht so rumstehen lassen. ‘tschuldigung, aber ihr habt mich
doch der Drogenfahndung ausgeliehen. Ich war keine Nacht vor zwei im Bett.
Scheiße, äh, Entschuldigung, ich hab’s voll vergessen. Aber ich hab dir doch so
einen kleinen gelben Zettel an den Compi geklebt.« Er sah sich suchend um. Das
tat Evi auch, robbte durchs Zimmer, was den oberen String eines Tangas
vorteilhaft zur Geltung brachte, und fischte den Zettel schließlich unter dem
Schrank hervor.
»Okay!« Gerhards
Augen verengten sich, und sein Hals schnürte sich zu. »Was genau hat Jo
gesagt?«
»Es sei wichtig, und
so Listen hat sie mir noch gegeben. Ich kann mir da keinen Reim drauf machen.«
Gerhards Gesicht
hieß Evi und Markus, sich aus dem Staub zu machen. Evi verzichtete auf einen
Jo-Kommentar.
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