Weinzirl 03 - Kuhhandel
ihn
sich ganz anders vorgestellt. Sein manchmal schwer unterdrückbarer
Akademikerhass hatte sich bei einem Doppeldoktor einen arroganten Wichtigtuer
vorgestellt. Dieser Mann hingegen redete in einem sehr sympathischen Tiroler
Akzent und sah aus wie ein gealterter Daktari. Wo hatte er erst über Daktari
gesprochen? Sein Herz tat einen kurzen Sprung.
»Herr Pflug, ich
würde gerne Ihren Sohn sprechen. Wie ich aber von seinen Freunden Karina und
Fabian gehört habe, ist er verschwunden.«
Herr Pflug, der
gerade dabei war, Gerhard ein Weißbier einzuschenken, sah ihn überrascht an.
»Nun, verschwunden würde ich nicht gerade dazu sagen. Ich habe ihn die letzten
Tage nicht gesehen, was auch daran lag, dass ich erst vor zwei Tagen aus
Namibia zurückgekommen bin. Ich hatte da unter anderem mit einem alten
Studienkollegen für Dominik im Etoscha-Nationlapark ein Praktikum vereinbart.
Dass das klappen wird, hätte ich ihm allerdings gerne gesagt.«
»Hat Ihr Sohn kein
Handy?«
»Doch, aber es war
aus. Und diese ganze SMS- Senderei,
das fange ich in meinem Alter nicht mehr an.« Das »Nicht« hatte allen Charme
des Tiroler »Ch«.
»Und Ihre Frau?«,
fiel Gerhard ein.
»Sie ist wochentags
in München, allerdings war sie das letzte Wochenende nicht da, weil sie einen
Kongress in Wien hatte.«
»Niemand hat Dominik
also die letzten Tage gesehen?«
»Herr Weinzirl,
wieso interessiert Sie das? Der Junge ist volljährig. Er hat sehr viel auf sein
Abi gebüffelt. Er hat eine 1,3 gebaut. Er hat doch das Recht, sich jetzt zu
entspannen. Chillen sagen die Jungen dazu, oder?« Pflug schien wirklich
überrascht.
»Herr Pflug, Dominik
ist da in eine etwas ungute Sache verwickelt, bei der …«
»Dominik?«,
unterbrach Herr Pflug ihn.
»Nun, er hat
zusammen mit Karina und Fabian eine Frau bedroht.«
»Was sagen Sie da?«
»Er hat eine Frau
bedroht. Ich sage nicht, dass das auf seinem Mist gewachsen ist, aber ich will
und muss ihn sprechen. Kennen Sie eigentlich Karina und Fabian?«
Herr Pflug seufzte,
»Ja, ich denke, Karina ist kein unrechtes Mädchen, aber sie ist sehr, sehr
zornig.« Das war auch Gerhards Eindruck gewesen, er sah Pflug abwartend an.
»Ich habe einen gewissen Einblick in die Familienverhältnisse erhalten, und es
muss für das Mädchen ein ungeheurer Schock gewesen sein, dass die Mutter es
verlassen hat. Einfach so. Dominik hat mir erzählt, dass die Mutter mit einem
chilenischen Weinbauern abgehauen ist. Sie hat laut Dominik eine ungeheure
Summe Geldes bekommen und das wohl in das Weingut gesteckt. Sie schickt Karina
Briefe und Wein. Die Briefe landen im Feuer, der Wein bei uns. Karina hasst
Wein, hasst die Mutter, sie trinkt nur Jacky-Cola. Sie gibt Dominik die Kisten.
Exzellente Cabernet-Sauvignons aus dem Valle Central überdies. Nein, ich kann
über Karina eigentlich nichts Schlechtes sagen. Es brodelt in ihr, aber sehen
Sie: Dominik wird bald nach Namibia gehen und dann zum Studieren nach Berlin.
Solche Dinge verlaufen sich.«
»Und Fabian? Kennen
Sie den?«, wollte Gerhard wissen.
»Den habe ich nur
einmal bei einer Gartenparty gesehen. Ein wenig proletarisch vielleicht. Ein
bisschen laut. Er plustert sich ein bisschen viel auf. Er trommelt etwas viel
auf die Orang-Utan-Brust.« Herr Pflug lächelte. »Entschuldigen Sie die
Vergleiche, ich bin Zoologe, und das männliche Imponierverhalten ist bei fast
jeder Spezies das gleiche. Am dümmsten stellt sich dabei der Mensch an, oder
besser, das menschliche Männchen. Aber nun sagen Sie doch: Was ist das für eine
Geschichte mit der Bedrohung?«
Gerhard erzählte sie
ihm und beendete seine Erzählung: »Sehen Sie, es geht eben auch hier ums
Balzverhalten. Ich habe Bedenken, dass Dominik, um Karina zu beeindrucken,
Dummheiten gemacht hat oder machen wird.« Gerhard hielt sich bewusst sehr
bedeckt, denn Pflug schien jetzt schon sehr besorgt zu sein.
»Wissen Sie, der
Junge war unauffällig, pflegeleicht, möchte ich fast sagen. Wir haben ihm eine
sehr lange Leine gelassen, und er hat uns das eigentlich immer gedankt. Das
Allgäu war unsere feste Familienbasis zwischen München und Innsbruck. Meine
Frau hat früher hier gearbeitet. Dominik ist also kein armes Kind egoistischer
Karrieristen. Wie gesagt: Unser Konzept war in Ordnung. Ich kann mir das gar
nicht vorstellen, dass Dominik Menschen bedroht. Die Achtung des Lebens war mir
ein erstes Erziehungsziel.«
Gerhard nickte.
»Herr Pflug, trotzdem. Wenn Sie etwas hören, bitte informieren Sie
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