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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Bus noch nicht da. Er muss
hergefahren sein, als ich im Haus war. Ich hatte das Radio ziemlich laut an.
Als ich das Feuer bemerkt habe, hab ich sofort bei euch angerufen.«
    Sie alle schauten
nach oben. Der Stall stand lichterloh in Flammen, noch hatte das Feuer am Wohntrakt
nur genagt.
    »Probier mers!«,
rief der Feuerwehrler. Er sprang wieder ins Führerhaus. »Und ihr haltet euch da
raus!«, brüllte er die beiden Frauen an, die den Teufel taten und hinter dem
Wagen herhasteten. Das Löschfahrzeug fraß tiefe Spuren in die Wiese. Es
schwankte wie ein hoch beladenes Kamel im Passgang. Es schaffte es bis kurz vor
die Hütte. Die Feuerwehrler hatten Gasmasken auf, sie schlossen Schläuche an.
Schnell und routiniert.
    »Wir brauchen mehr
Wasser. Der Tank reicht nie aus!«, schrie einer gegen den Lärm an. »Gibt’s hier
einen Bach?«
    »Ja.« Annis Stimme
war krächzend. »Da hinten, er fließt durch die Weide.«
    Fließen war
übertrieben. Rinnen war wohl eher der passende Begriff, er rann wie ein
Miniatur-Flussdelta in kleinen Verästelungen über die Wiese.
    »Das ist ein
schlechter Witz! Wird er nirgends tiefer?«
    »Oben sind einige
Gumpen. Wenn’s viel gewittert, hält sich das Wasser recht lang.« Anni deutete
zum Zaun hinauf. Sie rannten bergan. Jo spürte Blutgeschmack im Hals. Sie bekam
kaum mehr Luft.
    »Das könnte gehen«,
rief der Feuerwehrler, scheinbar komplett unbeeindruckt von der Situation und
der körperlichen Anstrengung. Er hastete wieder bergab, retour zum
Löschfahrzeug, wo der Wasserstrahl versiegt war.
    »Jungs, den Schlauch
da rauf. Es könnte ums Arschlecken klappen! Huaraschlauch!«
    Sechs Männer zerrten
den Schlauch bergan, rasend schnell, und doch dauerte es eine Ewigkeit. Eben
flammte das Feuer wieder auf, krachend brach ein Balken im Mittelteil des
Hauses zusammen. Jos Augen waren vor Entsetzen geweitet. Tränen liefen ihr
übers Gesicht. Anni hatte den Ringergriff gelöst und drückte nur noch
beruhigend Jos Schulter.
    Gerhard hatte das
Krachen auch gehört. Es dröhnte über ihm, Teile prasselten auf seine Falltür.
Fieberhaft versuchte er, mit Erdreich die Ritzen abzudichten, und wusste doch,
dass die hölzerne Falltür bald Feuer fangen würde. Rauch fand auch die
kleinsten Öffnungen, das Atmen durch das immer noch feuchte Tuch wurde ihm
schwerer. Er hatte sich getäuscht. Er hatte immer angenommen, Jo würde ihn
letztlich doch so gut kennen, um zu wissen, dass er eben doch ihren Eingebungen
und Ideen folgen würde. Aber ihre stumme Übereinkunft, gewachsen über die
Jahre, war wohl Geschichte. War vieles einfach abhanden gekommen? Warum
verfehlen wir etwas stets so knapp, das doch so sehr in Reichweite war?
    Gerhard war ganz
ruhig und blickte auf sein Leben. Was war das denn schon gewesen? Vierzig Jahre
mit wechselndem Zubehör, eine Zeitspanne, die gerade einen Wimpernschlag in der
Ewigkeit ausmachte.
    Wie oft war er in
prekäre Situationen geraten und hatte gedacht: Du gehst durch einen Bach, von
Stein zu Stein. Es ist ein Balanceakt, und dann bist du in der Mitte, und da
kommt auf einmal Wasser, so viel Wasser, unendliches Wasser, das dich umtost
und umgurgelt. Und nun, du stehst da inmitten des Wasserinfernos? Es kommt
keine Hilfe aus dem Himmel, keine rettende Hand, auch kein Hubschrauber!
Vergiss es, es kommt nie Hilfe von außen! Und irgendwann wirst du dich
hineinstürzen müssen – kopfüber! Wenn du Kraft hast, dann erreichst du das
Ufer, so erschöpft, dass du denkst, nie mehr aufstehen zu können. Oder es
wirbelt dich wie einen kleinen Ast durch die Fluten, Blessuren, Abschürfungen,
du treidelst dahin und wirst an ganz anderer Stelle ausgespuckt. Und viel später
erweist es sich vielleicht als Weisheit des Lebens, dass du an einem
unbekannten Gestade gelandet bist. Manchmal ist das, was du dir wünschst, nicht
das Gute, weil du etwas Besseres bekommst. Du kannst aber auch sterben in den
scharfkantigen Felsen unter Wasser. Und dann wird dein blasser Leichnam
irgendwo liegen, und viel später sind es bleiche Knochen.
    Waren es Tears for
Fears gewesen in seinen so geliebten Achtzigern? Mad World: The dreams in which
I’m dying are the best I’ve ever had. Das war aber kein Traum mehr. Seine Arme
sanken zu Boden. Er dachte an Frau Weigand. So alt und weise würde er wohl
nicht mehr werden. Lehm in den Fingern. Er rieb ihn zwischen den Fingern.
Weiches Haar, Samt und Seide. Jos grüne Augen, die manchmal blau waren oder grau.
Eigentlich war es Jos Lachen gewesen,

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