Weinzirl 03 - Kuhhandel
Vielleicht kannte er sich doch nicht so gut aus?
Sie eilten los,
stolperten über Wurzeln, quälten sich einen engen Pfad bergauf. Fink hielt an,
drehte sich und gab erneut eine Richtung vor. Das dauerte alles so ewig.
Es war sieben, als
sie tatsächlich die Wildfütterung erreicht hatten.
Die Finks
diskutierten leise über den weiteren Weg.
»Verdammt, jetzt
einigt euch mal!«, brach es aus Jo hervor, und Evi zeterte. »Wir stehen hier am
Arsch der Welt, und in weniger als zwei Stunden geht in München der Flieger.«
»Maul!«, brüllte
Gerhard. Evi und Jo erbebten. Seine Augen waren fast schwarz.
Fink hatte wieder
eine Idee, wo’s weiter ging. Sie kämpften sich durch das Unterholz, eine
Jungbaumanpflanzung war mit Maschendraht versperrt. Sie stolperten dort entlang
und stießen auf einen kleinen Tobel. Das Wasser rann spärlich. Fink blickte
sich suchend um.
»Es war an einem
Abhang, es war doch so eine Art kleine Höhle?«, fragte er seine Frau. Durch Jo
und Evi schaute er einfach hindurch, wohl wissend, dass von ihnen alles andere
als Hilfe kam.
Jo schluckte jeden
weiteren Ausbruch hinunter. Sie wagte es kaum, Anni Fink anzusehen.
»Ich erinnere mich,
dass der Jäger immer auf Schneeschuhen von Lambrechts über Glocke aufgestiegen
ist«, sagte Anni Fink und blickte talwärts. Auch sie war ruhig und voll
konzentriert. Woher nahmen diese Leute bloß die Ruhe, kapierten die nicht, dass
es um Leben und Tod ging?, dachte Jo verzweifelt.
»Dann passt’s!«,
rief ihr Mann und turnte an der Tobelkante entlang.
Um Viertel nach
sieben fuchtelte er aufgeregt mit den Armen.
»Da ist der Baum, wo
der Blitz eingeschlagen hat. Da muss es sein.« Herr Fink und Gerhard rutschten
auf dem Hosenboden tiefer hinunter, schoben Äste zur Seite, und plötzlich war
Gerhard nicht mehr zu sehen. Er war tatsächlich in einer Art Höhle
verschwunden. Sie starrten auf den Fleck, wo er verschwunden war. Starrten und
starrten. Erst jetzt bemerkte Jo, wie mannigfaltig die Geräusche im Wald waren.
Das Wasser gurgelte, ein leiser Wind entlockte den Blättern ein gleichförmiges
Rauschen, ein Vogel schrie. Als Jo dann auf ein kleines dürres Ästchen trat und
es zerbarst, war das laut wie Donnergrollen. Und endlich kam Gerhard wieder zum
Vorschein. »Nichts!«
Jos ganze Anspannung,
Angst und Hoffnung entluden sich in einem gellenden Schrei. »Nein, das darf
nicht sein!«
Danach waren die
Waldgeräusche verstummt. Eine bedrohliche Stille. Kein Vogel zwitscherte mehr.
Kein Rascheln, nichts.
Es war halb acht.
Erst Evis Stimme
durchschnitt diese Geräuschlosigkeit. »Ihr habt vorher von einem Blechdeckel
gesprochen? Wo ist der?«
Anni Fink, die etwas
tiefer stand, schaute, den Kopf im Nacken, zu Evi hinauf. »Den wird das
Pfingst-Hochwasser 2000 weggespült haben. Danach waren ja ganze Landschaften
verändert.«
Sie alle begriffen
zugleich, was Anni damit gesagt hatte. Ganze Landschaften waren verändert?
Natürlich! Was, wenn diese Höhle erst mit dem Hochwasser ausgespült worden war,
was sie suchten, aber ganz woanders lag?
Herrn Finks Blick
war in die Baumwipfel gegangen, schlingernd kämpfte er sich wieder bergauf. Er
rutschte mehrmals auf dem Laub aus, das schon herbstlich fiel, obgleich diese
Sonne so sehr noch immer den Sommer vorgaukelte. Sie sahen ihn verschwinden in den
Baumreihen, und auf einmal gellte von weiter unten ein Schrei. »Da ist noch ein
Baum mit Blitzschlag.«
Es war acht.
Sie schwärmten aus,
robbten auf dem Boden herum, so, als hätten sie einen wertvollen Diamantring
verloren. Einen winzigen Ring, eigentlich unmöglich, ihn zu finden. Wieder
überflutete eine Welle von Übelkeit und Panik Jos Kehle, sie hätte jetzt
aufgegeben. Herr Fink war noch tiefer in den Tobel gerutscht, und dann rief er: »Da ist sie!«
Sie kugelten alle
den Hang hinunter, rutschten auf dem Hosenboden, irgendwas zerfetzte Jos
Hosenbein. Und da war eine Blechtür, ein nagelneues Vorhängeschloss hing daran.
Herr Fink warf seinen Rucksack auf den Boden, Gerhard griff als Erster zu einem
Brecheisen. Mit einem metallischen Geräusch zersprang das Schloss. Die beiden
Männer rissen die Blechtür förmlich heraus, sie entglitt ihnen und rutschte auf
den Blättern tobelabwärts.
Es war fünf nach
acht.
Die Blicke aller
folgten der Tür. Gerhard hatte ein Taschenmesser in die Hosentasche gesteckt,
er zog eine Taschenlampe heraus, und für eine Sekunde war er versucht, sie gar
nicht anzuschalten. Was würde er sehen? Er robbte auf
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