Weinzirl 03 - Kuhhandel
alle wissen, wie böse die
Jugend heutzutage ist, hat er seine Eltern auch noch selbst erpresst.«
Gerhards Puls raste.
»Das haben Sie also alles so inszeniert? Deshalb auch nur
zweihundertfünfzigtausend?«
»Korrekt, Herr
Kommissar. Sagen wir mal so: Ich hätte noch einen kleinen Zusatznutzen gehabt.
Ich habe einen Flug heute Abend um 21 Uhr nach Südafrika. Ich hätte die Kohle
an mich genommen, Dominik zu Mama und Papa entlassen, und ich wäre weg gewesen
mit dem Zaster. Nun sind Sie mir dazwischengekommen. Ich muss nun
umdisponieren. Jetzt werden Sie mich nach München zum Flugplatz bringen, wo ich
meine Maschine nehmen werde. Und erst, wenn ich in der Luft bin, werde ich
Ihnen verklickern, wo der kleine Dominik rumhängt!« Er lachte und lachte und
hörte gar nicht wieder auf.
Gerhard ließ
Lichtenegger abführen und stürzte in sein Büro. Er fingerte im Schrank nach
einer Flasche. Da war ein Grappa, den irgendwer mal als Weihnachtsgeschenk
vorbeigebracht hatte. Er steckte noch in einer Tüte mit niedlichen rotnasigen
Rentieren. Gerhard zerfetzte die Tüte, dann stieß er so was wie einen Urschrei
aus und nahm einen gewaltigen Schluck.
»So schlimm?«, kam
es leise von der Tür.
»Schlimmer«, sagte
Gerhard und setzte die Flasche nochmals an.
»Hol den Merk. In
zehn Minuten hier.«
Als Gerhard Evi und
Staatsanwalt Merk die Fakten erzählt hatte, nur die Fakten unter großen
Auslassungen, war der Raum von einer derartigen Spannung erfüllt, dass jeden
Moment eine Explosion zu drohen schien.
»Blufft er? Hat er
den Jungen wirklich?«, fragte der Staatsanwalt schließlich.
»Ich befürchte, er
hat ihn, ja! Die Erpressung ist real. Der Typ ist brandgefährlich.«
»Wir dürfen das
Leben des Jungen nicht gefährden. Verdammt! Ich hasse es, in solche
Abhängigkeiten zu geraten. Wie wollen wir vorgehen?« Merk wahrte die Fasson.
»Wir müssen den Jungen
vorher finden, bevor Lichtenegger entschwebt«, sagte Gerhard und wusste in dem
Moment, als er die Lippen verschloss, dass das eigentlich unmöglich war.
Merk runzelte die
Stirn. »Haben Sie denn einen Anhaltspunkt?«
Gerhard schüttelte
den Kopf.
»Nun, wir müssen
München informieren und zwei Szenarien durchspielen. Eins: Zwei Beamte bringen
ihn nach München, er wird durch die Kontrollen geschleust, darf einsteigen, und
wenn das Flugzeug in der Luft ist, wird er per Funk den Aufenthaltsort von
Dominik durchgeben.«
»Er kann uns sonst
was erzählen, Herr Staatsanwalt Merk.« Evi war erschüttert und aufgebracht.
»Das weiß ich auch!
Deshalb wird in unser aller Interesse Fall zwei eintreten: Lichtenegger fährt,
er steigt in die Maschine, mit ihm einige Ihrer Kollegen in Zivil. Wir wiegen
ihn in Sicherheit. Die Tür ist zu, es gibt eine kleine Startverzögerung. Und
Zugriff! Denn Sie haben bis dahin Dominik Pflug gefunden. Tot oder lebend –
aber gefunden. Ich verhandle jetzt mal mit München. Ich werde unser Engagement auch
Herrn Lichtenegger nahe bringen. Ich werde etwas Zeit schinden können, weil ich
ihm klar machen werde, dass seine Forderungen eine gewisse Logistik erfordern.
Das gibt Ihnen alles in allem circa fünf Stunden.«
Ohne Gruß ging er
hinaus, aufs Äußerste angespannt, seine Schultern bebten.
Gerhard fixierte
einen Punkt in der Rückenpartie des Staatsanwalts, so, als wolle er ihn damit
zurückhalten. So, als würde Merk sich dann umdrehen und sagen: Ich weiß, wo
Dominik ist. Gerhard rief ihm hinterher: »Was ist mit Pflugs? Sollen wir die
informieren?«
»Um Himmels willen,
nein!«, rief Merk, ohne sich umzudrehen.
Gerhard stöhnte und
blickte in Evis hübsches Gesicht. »Evi, ich bin wie vernagelt. Der Staatsanwalt
wird ein bisschen Zeit schinden, indem er die Abfahrt nach München
hinauszögert. Dann fährt Lichtenegger, das dauert bis zum Flughafen etwa zwei
Stunden. In München wird auch noch etwas Zeit vergehen, bis die Maschine um 21
Uhr starten wird. Fünf Stunden Zeit, um Dominik zu finden. Das ist nichts! Evi,
hast du nicht kürzlich von einem schwarzen Loch gesprochen? Gott, ich habe
keine Ahnung, wo der Junge sein könnte. Ich traue Lichtenegger alles zu, aber
das Schlimmste ist: Er hat meine Gedanken so sehr vergiftet, dass ich nicht
mehr logisch denken kann. Ich bin wie vernagelt«, wiederholte sich Gerhard.
Evi versuchte, die
Ruhe zu bewahren. »Als Erstes müssen wir seine Wohnung durchsuchen, Keller,
Speicher – ich hab das veranlasst, aber ich verspreche mir wenig davon. Und
dann ist auch mein Latein,
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