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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Jos
Handynummer. Es dauerte eine Weile, bis eine kichernde Stimme »Pronto« sagte.
Die Stimme gehört nicht Jo.
    »Hallo, hier
Gerhard, kann ich Jo sprechen?«
    »Heh, Gérard«, die
Stimme sprach seinen Namen französisch aus. »Hier Andrea, Joyeux Noël!«
    »Ja, dir auch frohe
Weihnachten. Ist Jo bei dir?«
    »Ja, wir wollen in
Berlin Weihnachten feiern. Saufen, Kneipen, Kultur. Willst du Jo haben? Sie
schläft allerdings.«
    So, Jo war in
Berlin, bei ihrer besten Freundin. Der Stich durchbohrte Herz und Magen gleichermaßen.
    »Lass sie schlafen!
Sag Grüße.«
    »Du bist ein
Trottel, Weinzirl. War’s das wert?«, fragte Andrea unvermittelt.
    Natürlich, Andrea
war informiert. Schulterschluss gegen die Männer, aber nein, das war unfair.
Andrea war durchaus in der Lage, zu differenzieren. Gerhard sagte nichts.
    »Gerhard, im Ernst«,
sie kicherte jetzt nicht mehr. »Hättest du ihr nicht früher etwas von deinen
Plänen sagen können?«
    »Nein, auch wenn du
das nicht verstehst.«
    »Ich verstehe das
sogar vielleicht, aber Jo nie. Soll ich sie echt nicht wecken?«
    »Nein, frohe
Weihnachten euch beiden.« Gerhard legte auf.
    Er drehte das Radio
auf, wo ein Ros entsprang und ein Kinderchor dazu aufrief, froh und munter zu
sein. Er war aber nicht froh und munter. Er holte sich aus der Tiefkühltruhe eine
Pizza, die er mit einem vierten AKW verzehrte. Das Haus war so still, dass der Kuckuck in der unsäglichen Uhr, die
Gerhard hasste, brüllte wie ein wütender Drache. Gerhard stand auf und ging zum
Speicher. Ganz links in der Schräge fand er die Kiste. Es war ein Karton, der
seit hundert, tausend, Millionen Jahren schon der gleiche war. Die Figuren
waren einzeln in Küchenrollenpapier eingewickelt. Drunter kam die Krippe zum
Vorschein. Gerhard nahm alles mit ins Wohnzimmer. Alles war falsch. Kein Baum,
unter den man die Krippe hätte stellen können. Kein Mensch, der vom Champagner
leicht angesäuselt den Aufbau gelobt hätte. Schließlich stellte er die Figuren
in die von Holzschindeln bedeckte Krippe. Da standen sie dann, diese hölzernen
Figuren. Ein Schafhirt, der den rechten Arm verloren hatte, die Maria ohne den
linken. Der Engel mit nur einem Flügel. Eine Armada verwundeter himmlischer
Heerscharen. Unter Karins Händen und unter ihrem Lachen waren sie lebendig
gewesen. Nun waren sie nur hölzern – und behindert.
    Am nächsten Morgen
fuhr Gerhard früh ins Kühtai, übernachtete in einer Pension, ging zwei
ausgedehnte Skitouren, bevor er am Abend des 25. nach Tankenrain zurückkehrte
und bis in den späten Vormittag hinein schlief.
    Als sein Handy
klingelte, hoffte Gerhard für einen Moment, es möge Jo sein. Es war Baier.
    »Frohe Weihnachten,
Weinzirl. Noch ein Toter. Angeblich Würgemale am Hals.«
    »Wo?«
    »In Oberammergau, am
Döttenbichl. Treffen wir uns in zehn Minuten? Äh, Entschuldigung, sind Sie
überhaupt in Weilheim?«
    »Sicher!«
    Als Gerhard zu Baier
ins Auto stieg, war er irgendwie froh. Was für ein Leben führte er, wenn eine
Leiche zu einer willkommenen Abwechslung wurde!
    »Gibt’s da nicht
eine Außenstelle in Garmisch?«, fragte Gerhard. »Sind sie nicht zuständig?«
    »Sonntag, Feiertag,
Wochenende, Weinzirl, wir sind dran. Ich hasse Feiertage.«
    »Wo liegt also die
Leiche?«, lenkte Gerhard nun die Aufmerksamkeit auf den Fall. »Allmählich wird
das zur Geographiestunde. Wieso kommen bei euch die Leute nicht einfach bei
einer Wirtshausschlägerei in Weilheims Altstadt zu Tode?«
    »Hatten wir auch
schon, Weinzirl. Hatten wir. Aber anscheinend zieht es die Mörder nun hinaus.
Sie erinnern sich an die Elektro-Familien-Tragödie. Ging durch die Presse. Und
das tote Baby in Eglfing. Furchtbar. Träume heute noch schlecht, wo ich sonst
nicht so bin. Aber so ein Baby? Gerade erst an der Schwelle zu einem Leben.
Egal wie es später dann wird, es ist doch ein Leben.«
    Zum ersten Mal
spürte Gerhard, dass dieser Baier wohl doch zu mehr Worten fähig war, wenn ihn
etwas berührte. Beide sahen konzentriert aus dem Fenster
    Irgendwann hob
Gerhard wieder an: »Ja, aber ich würde die Schönheiten der Gegend wirklich
gerne anders kennen lernen, vielleicht lieber im Sommer – und nicht so schnell.
Eibenwald, Döttenbichl, ja und wo ist jetzt dieser Bichl?«
    »In Oberammergau,
oder besser am Rande. Es gibt da so eine Promillestraße nach Graswang, an der
Ammer entlang. Die macht einen scharfen Knick um den Döttenbichl herum. So ein
waldiger Gupf, irgendwelche Ausgrabungen, wenn ich

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