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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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mich recht erinnere. Und
irgendwas mit Varus.«
    »Der, der
irgendwelche Legionen wieder rausrücken sollte?« Gerhard war sich durchaus
bewusst, dass diese im witzigen Plauderton geführte Unterhaltung ziemlich
albern war. Aber beide Kommissare spürten den Bruch und wollten sich innerlich
wappnen. Es war Weihnachten, keine Zeit für Leichen.
    Baier fuhr über eine
Brücke, bog nach links ab, passierte den Friedhof. Rechts stand ein
Polizeiauto, Baier hielt an.
    »Fischer Paule, grüß
dich. Der Kollege Weinzirl vom Allgäu draußen. Und?«
    Paul Fischer wies
nach rechts. Die Köpfe ruckten nach oben. Es war von hier unten deutlich zu
sehen. Eine Bank blickte aus einer Waldlücke hinunter auf die Ammer und hinüber
zum Laber. Ein hübsches Plätzchen, eigentlich. Auf der Bank lag ein Mensch,
auch das war zu sehen. Die Arme im Nacken verschränkt. Von fern betrachtet wie
aus der Tourismuswerbung: Ruhepause nach der Wanderslust. Aber eben nur von
fern betrachtet.
    »Der liegt da wie
aufgebahrt. Makaber, den Friedhof zu Füßen«, sagte Fischer. Er schüttelte den
Kopf und fuhr fort: »Wenn wir in Ogau im Gemeinderat über eine Million Euro zur
Sanierung des Wellenberg befragt werden, dann nicken wir alle artig. Darüber,
ob das Klo im Passionstheater was kosten soll, streiten wir Stunden. Und wir
schaffen es nicht, im Winter die Bänke abzubauen. Aber die sind ja auch
gesponsert, macht ja nichts, wenn die verrotten.« Zornig blickte er hinauf zu
der Bank, als ob ihr Abbau den Mord hätte verhindern können.
    Die drei Männer
stiegen eilig bergan, Baier schnaufte heftig, Gerhard spürte fast so was wie
Freude. Er brauchte mehr Bewegung, und er nahm sich vor, ab morgen im Wald
seiner Vermieter zu joggen. Sie hatten die Bank erreicht.
    Der Mann war von
kräftiger Statur. Er trug eine festliche Trachtenkombination. Darüber einen
Lodenmantel, der offen stand und zu Boden hing. Die Leinenweste spannte über
dem Bauch. Er lag tatsächlich auf dem Rücken, die Hände waren unterm Nacken
verschränkt. Bei Sonnenschein, im Sommer hätte er ein Bild der Ruhe abgegeben.
Der hier war nicht entspannt. Am Hals waren deutliche Rötungen zu sehen. Was
Gerhard erschreckte, waren die weit aufgerissenen Augen. Er sah aus, als wäre
ihm der Leibhaftige begegnet. Gerhards Blick ging hinunter zum Friedhof. Hatte
der Leibhaftige so nahe am Gottesacker zugeschlagen?
    »Würgemale, kein
Zweifel. Aber die verschränkten Arme?« Baiers Stimme war knorzig und leise. Der
Wind verzerrte sie zusätzlich.
    »Der Mörder muss ihn
erst erwürgt und dann so hingelegt haben.« Auch Gerhards Worte wurden vom Wind
verblasen.
    »Das ist, das ist
mir unverständlich. Weinzirl?«
    »Der Mörder erwürgt
einen, der wird sich gewehrt haben. Seinem Blick nach zu urteilen waren die
letzten Minuten die Hölle. Er hat sich sicher gewehrt, wir müssen seine
Fingernägel auf Hautpartikel untersuchen lassen. Scheußlich, so weit. Und dann,
ja ich sag das mal so, bettet ihn der Mörder so?«
    Paul Fischer trat
einen Schritt vor. »Das war auch mein Eindruck. Im ersten Moment kam mir das
fast fürsorglich vor. Armer Schorsch!«
    »Schorsch?«
    »Ja, das ist
Schorsch, Georg Kölbl, Schnitzermeister hier am Ort. Er kommt von auswärts, hat
eingeheiratet. Seine Frau stammt aus einem alten Schnitzergeschlecht, wenn man
so sagen will. Reizende Frau, Herr im Himmel, wie soll man ihr das beibringen?
An Weihnachten. Machen Sie das?«
    Gerhard nickte. Als
die drei Männer den schlüpfrigen Pfad wieder hinunterschlitterten, war das fast
wie ein Déjà-vu. Wieder so ein abschüssiger Weg, wieder flüsternde Bäume, die
ihr dunkles Geheimnis bewahrten.
    »Denken Sie, was ich
denke?«, fragte Baier.
    »Ich befürchte es.
Zwei tote Männer im gleichen Alter, ein ähnlicher Ort. Merkwürdige Orte!«
    »Herrschaft Zeiten!
Wieder ein Toter. Der hier wurde wohl erwürgt. Wir finden den Mann am
Döttenbichl. Der Ort trieft vor Geschichte und Blut, und dann haben wir den 26.
Dezember, ausgerechnet den 26. Dezember. Diese Frau Kassandra geht mir nicht
aus dem Kopf. Mal nachgelesen unter den Raunächten. Die Raunächte liegen
zwischen dem Thomastag, dem 21. Dezember, und dem 6. Januar. Die Raunächte,
eine Zeit der Wiederkehr der Seelen, Frau Holle geht um, Hexen und Kobolde
treiben ihr Unwesen, Tiere sprechen – Herrschaft Zeiten, Weinzirl, ich hasse
diesen Eso-Quatsch. In den Raunächten entscheidet sich das Geschick des Lebens.
Stellen Sie sich vor: Wer in dieser Zeit die Tür laut

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