Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
zuschlägt, hat im Sommer
den Blitz zu befürchten. Wenn in den zwölf Raunächten viel Wind geht, sterben
bald viele alte Frauen. Und so weiter. Ich hasse das! Fühle mich unwohl, sehr
unwohl.«
    »Berufskrankheit,
Kollege Baier. Ich bin auch infiziert. Mein erster Gedanke war auch, es müsse
einen Zusammenhang geben. Wie Sie sagen: Der hier wurde mit hoher
Wahrscheinlichkeit erwürgt, aber der andere? Wir haben keinerlei Hinweis auf
Mord, oder? Wann kriegen wir denn Ergebnisse von Johann Draxl, sagten Sie?«
    »Feiertage,
Weinzirl! Feiertage. Aber ich mach denen jetzt Dampf in München. Den hier
können sie gleich daneben legen. Morgen ist Montag, da will ich endlich
Ergebnisse. Weinzirl, ich glaube, das Alter spielt mir Streiche. Ich werde
senil und wunderlich. Ein banaler Herzinfarkt der eine, hier ein Mord. Zufall!
Aber wieso ist mein Gefühl so, so scheußlich?«
    Gerhard blickte in
Richtung Friedhof. Es hatte zu schneien begonnen. Er fröstelte von innen
heraus, er spürte eine negative Spannung fast körperlich. Es gab keine Zufälle.
Jedenfalls nicht hier.
    »Ich teile Ihre
Bedenken. Irgendwas stimmt hier nicht. Finden wir einen Zusammenhang und
stellen wir fest, wer Kölbl war. Welche Feinde er hatte. Hatte er welche, Herr
Fischer?«

4
    Paul Fischer
chauffierte sie ins Dorf. Kölbls Werkstatt lag in der Kleppergasse. Sie hatten
am Anfang der Dorfstraße geparkt in stiller Übereinkunft, ein paar Schritte zu
Fuß zu gehen. Zum Nachdenken. Es war gerade siebzehn Uhr geworden, und wie
durch Zauberhände flammten Lichter in den Schaufenstern auf und illuminierten
Krippen. Es waren eine Menge Leute unterwegs, Einheimische und Gäste, die
Broschüre »Krippenweg« in der Hand.
    »Das kommt gut an«,
sagte Paul Fischer. »Fünfundvierzig Krippen kann man besichtigen, eine
Zeitreise durch die Schnitzkunst. Unsere Helga Stuckenberger hat das initiiert,
anfangs die Leute geradezu bekniet, ihre Raritäten zur Verfügung zu stellen.«
Er deutete auf das Fenster von Foto Kronburger, wo eine kleine Kastenkrippe
stand, gerade dreißig mal dreißig Zentimeter groß, die Figuren wie Däumlinge
vielleicht fünf Zentimeter hoch. »Die meisten der Krippen entlang des
Krippenwegs sind wunderschöne Raritäten und meist Zweitkrippen, denn die
eigentliche Familienhauskrippe, die will man schließlich an Weihnachten unter
oder neben dem Weihnachtsbaum stehen haben! Meine Familie hat auch eine
ausgestellt.« Er brach ab und schaute Gerhard und Baier fast verzweifelt an.
»Und nun ist der Kölbl tot. An Weihnachten. Er hat doch auch eine Krippe ausgestellt.«
    Auch wenn der
Kollege sein Gefühl etwas krude formuliert hatte, verstand Gerhard, was er
hatte sagen wollen. Das anheimelnd beleuchtete Oberammergau, die
Weihnachtsstimmung wollte so gar nicht zur Kälte am Döttenbichl passen. Und der
Tote war einer von ihnen. Auch in Kölbls Fenster stand eine prächtige Krippe,
und Gerhard, obwohl Laie, registrierte, wie lebendig vor allem die Tiere
wirkten.
    Sie kamen nicht mal
dazu, die Klingel zu betätigen. Eine Frau hatte die Tür geöffnet. Sie war
schlank und trug ein Festtagsdirndl. Ihr weißes Haar war zu einem Knoten
gebunden.
    »Paul? Es ist etwas
passiert, mit Schorsch?«
    Fischer schluckte.
    Sie wandte sich
Baier und Gerhard zu und reichte ihnen die Hand. »Josefa Heringer, ich bin die
Schwester von Helga Kölbl, die Schwägerin von Schorsch. Ist er …?«
    Gerhard nickte. Er
hielt immer noch ihre Hand, er registrierte die Kühle und die Tatsache, dass
sie schöne weiche, fast faltenlose Hände hatte, obwohl sie sicher schon weit in
den Sechzigern war.
    Sie traten ein.
Josefa führte sie in das Wohnzimmer. Ein Gänsebraten stand auf dem Tisch. Die
Haut wirkte gläsern. Die Gans stand wohl schon geraume Zeit da, seit Mittag
wahrscheinlich. Die Familie hatte auf Schorsch gewartet, der Tod hatte sie
unterbrochen, der Sensenmann hatte kein Verständnis für Weihnachtsbräuche.
    Eine andere Frau war
leise eingetreten. Die Familienähnlichkeit war unverkennbar. Sie war schlank
wie ihre Schwester, etwas größer und feingliedrig, einige Jahre jünger. Die
Frau war früher sicher eine Schönheit gewesen und besaß noch jetzt ein
Madonnengesicht. Sie sah in die Gesichter der Anwesenden. Ihre Schwester trat
auf sie zu. »Helga, ich … es tut mir so Leid.«
    Die Frau stieß einen
Laut aus und sank in einen Ohrensessel. Ein Laut, der Gerhard durch Mark und Bein
ging. Dann begann sie zu weinen, wehzuklagen, dass die drei Männer

Weitere Kostenlose Bücher