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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ertappte sich immer öfter dabei, dass er angesichts einen
jungen Freaks mit langen Haaren unwillkürlich dachte: Scheißgiftler. Dabei
hatte er selbst viele Jahre lange Haare gehabt, ohne Drogen zu nehmen oder zu
dealen. Er wehrte sich gegen Klischees und Vorverurteilungen, kämpfte dagegen
an, und doch wollte es ihm nicht immer gelingen.
    Er traf Baier vor
dem Haus des Hubert Hareither. Der Mann öffnete selbst. Das war doch mal einer,
der so aussah, wie man sich einen Herrgottsschnitzer vorstellte. Schmales
Gesicht mit Bart, eine feingliedrige Gestalt, zarte Hände mit langen Fingern,
die eher einer Frau gehören sollten. Er lächelte freundlich, zu freundlich, wie
Gerhard fand. Die Klischee-Falle: Er mochte diesen Mann nicht.
    »War der Diebstahl
Ihrer Modelle Grund genug für einen Mord, Herr Hareither? Wo waren Sie zwischen
elf und vierzehn Uhr am zweiten Weihnachtsfeiertag?«
    »Kommen Sie doch
herein.« Hareither lächelte noch immer, so sanft wie eine der Madonnen. Er
führte sie in eine schmucke Bauernküche voller Keramikbecher, hübscher Kissen
mit Rosenmuster, schöner Antiquitäten. Puppenstubenromantik, dachte Gerhard,
und das widerte ihn an. Sie hatten sich an den Tisch gesetzt, Hareither hatte
ihnen Mineralwasser hingestellt. Serviert in einem Keramikkrug, passend zu den
Bechern, die ebenfalls feine Rosenmuster trugen. Eine Welt aus Rosenblüten,
aber Rosen hatten Dornen.
    »Also, wo waren
Sie?« Gerhards Ton war unangemessen giftig. Baier sandte ihm einen warnenden
Blick zu.
    »Herr Stuckenzeller
hat mich angerufen«, sagte er mit seiner sanften Stimme. Spielte der den Jesus
in der Passion? Er sollte, dachte Gerhard, er war der unschuldig verurteilte
Märtyrer. Er war seine Inkarnation!
    »Das dachte ich mir
schon«, sagte Gerhard mühsam beherrscht, »aber das beantwortet meine Frage
nicht!«
    »Nun, ich war gegen
zwölf mit meinem Hund am Ammerufer spazieren. Zoltan!« Wer ruft seinen Hund
Zoltan?, überlegte Gerhard noch, als ein schwanzwedelnder schmutzweißer
Rastabettvorleger hereinsprang. »Ein ungarischer Puli«, sagte Hareither und
vergrub seine schmalen Pianistenfingerchen in den verfilzten Fellplatten.
    »Ich glaube kaum, dass
Zoltan Ihnen ein Alibi geben kann!« Gerhard war noch immer haarscharf am Rande
der Beherrschung.
    »Nein, ich weiß.
Aber Herr Stuckenzeller, der hat uns gesehen.«
    »Ja, das fügt sich
ja prächtig«, Gerhard rang nach Luft. Es war stickig hier. Immer wenn er in
Oberammergau zu ermitteln hatte, waren die Räume überheizt. Überall Kachel- und
Holzöfen, die um ihr Leben bullerten. Vielleicht hatte das so zu sein, dort, wo
sich alles um Holz drehte.
    Baier mischte sich
ein. »Sauber, blitzsauber! Herrschaft Zeiten! Haben Sie sonst vielleicht
jemanden, der Sie gesehen hat?«
    »Nun, meine Frau
kann bestätigen, dass ich lediglich dreißig Minuten weg war. Maximal
fünfundvierzig.«
    »Und die kommt
sicher auch auf Pfiff?« Baier war jetzt wieder ganz der gewohnte Pitbull.
    »Nein, aber ich kann
sie rufen, sie hat ein Atelier unterm Dach. Sie ist Keramikerin.«
    Aha, deshalb all die
Rosen!
    Hareither blieb
immer noch penetrant freundlich, erhob sich und rief durch den Gang: »Sabine,
kommst du mal?«
    Sabine kam. Sie trug
einen Overall mit Farbklecksen, eine gepflegte Frau um die fünfzig mit
halblangem dunklem Haar, das von grauen Strähnen durchzogen war. Sie war sich
auch ganz sicher, dass ihr Mann und Zoltan um fünf vor zwölf das Haus verlassen
hatten und um zwanzig vor eins wieder da waren.
    »Ich weiß das so
genau, weil ich um Punkt dreiviertel einen Kuchen aus dem Ofen nehmen wollte
und quasi mit der Eieruhr auch mein Mann kam«, sagte sie.
    »Soso, mit der
Eieruhr kam ihr Mann! Gut, gut. Sind Sie denn über die gestohlenen Modelle
informiert, gnädige Frau?« Baier gab sich formvollendet.
    Sie nickte und
suchte nach Worten. »Diese ganze Sache … also wir alle …«
    Jetzt legte
Hareither auch noch den Kopf schräg und blickte theatralisch zum Himmel, bevor
er anhob, anstelle seiner Frau zu erzählen. Sie waren eigentlich zufällig auf
den Betrug gestoßen. Sabines Schwester, die Zimmer in Saulgrub vermietete,
hatte Stammgäste, die erzählt hatten, dass sie im Schnitzladen in Berlin echte
Oberammergauer Schnitzkunst – »vom Lukasverein, zertifiziert und auch noch in
einer hübschen Geschenkbox« – weit billiger bekamen als in Oberammergau. Wie
das denn sein könne? Beim nächsten Urlaub brachten sie so ein Stück mal mit.
Hareither nahm es in

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